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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Eisenmann, Oskar: Adolf Philippi
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Küppers, Paul Erich: Zur Handtextilienausstellung in der Kestner-Gesellschaft Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0181

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 32. 24. Mai 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage Jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschr. f. bild. Kunst erhalten Kunstchronik u. Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 40 Pf. für die dreigespalt. Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

ADOLPH PH1LIPPI t

Adolph Philppi, geboren 11. Januar 1843 zu Oster-
holz in der Provinz Hannover, der Altphilologe,
Archäologe und Kunsthistoriker, hat am 5. Mai in
Dresden seine Augen geschlossen. Als Professor in
Gießen (von 1874—93) wenig über die Kreise seines
ursprünglichen Faches hinaus bekannt, hat er sich
später durch seine mit reichem Wissen genährten und
sehr anregend geschriebenen Bücher über Kunstge-
schichte, namentlich der Renaissance und des Barock,
einen, man kann sagen, berühmten Namen gemacht.
Ohne mit so tiefschürfenden Fachgelehrten wie etwa
Jakob Burckhardt oder Schnaase wetteifern zu wollen,
verstand er es doch, durch knappe und volkstümliche
Darstellung die weitesten Kreise zu fesseln.

E. A. Seemann hat ihn verlegt und durch treffliche,
illustrative Ausstattung seiner Bücher zu hohem An-
sehen gebracht. Während des Krieges ist er viel-
leicht weniger gelesen worden, aber man wird ihn
später wieder hervorholen. Es ist ein stupend fleißiger,
außerordentlich viel wissender, höchst gewissenhafter
Gelehrter mit ihm dahingegangen.

Seine Metamorphose vom Archäologen zum Kunst-
historiker ist ihm dadurch sehr erleichtert worden,
daß er eine außergewöhnliche Perzeptionsfähigkeit mit
einem eminenten Gedächtnis verband und schon als
junger Lehrer im Jahre 1870 auf 71 in Italien neben
der Antike auch die reichen Galerien von Florenz,
Rom, Neapel u. a. eingehend studierte.

Er hat sich, nachdem er von Gießen abgegangen
war, auch längere Zeit mit seiner Familie in Kassel
aufgehalten und im Arbeitszimmer des Unterzeichneten,
der damals Direktor der dortigen Gemäldegalerie war,
seinen eigenen Schreibtisch gehabt und in aller Stille
viel Nützliches geschaffen. Später nahm er seinen
bleibenden Wohnsitz in Dresden, um Galerie, Kupfer-
stichkabinette und Bibliothek für seine ausgedehnten
Arbeiten zur Hand zu haben.

In Dresden hat er sich auch als Mitglied des
Direktoriums der staatswissensehaftlich gerichteten
Gehe-Stiftung wirksam betätigt.

Nicht berufen, auf seine Tätigkeit als Philologe
und Archäologe kritisch einzugehen, kann ich doch
sagen* daß er bei Erstellung seiner kunstgeschicht-
lichen Bücher das seltene Talent gezeigt hat, eine
durch Worte schwer zu behandelnde Materie weiten
Kreisen zugänglich und mundgerecht zu machen. Das
haben wir ihm zu danken, denn das will viel heißen.

Seine gelesensten Bücher sind folgende: Die Kunst
der Renaissance in Italien, 1897, 2. Auflage 1905;
Die Kunst des 15. und 16. Jahihunderts in Deutsch-
land und den Niederlanden, 1898; Die Kunst der

Nachblüte in Italien und Spanien, 1900; Rubens und
die Flamländer, 1901; Die Blüte der Malerei in Hol-
land, 1901; Florenz, 1903, 2. Aufl. 1908, englische
Ausgabe 1905; Album der Dresdener Galerie, 1904,
2. Aufl. 1908; Album der Kasseler Galerie (gemein-
sam mit dem Unterzeichneten) 1907; Die großen
Maler in Wort und Farbe, 1910 — man sieht, ein
reiches Bukett kunstgeschichtlicher Blüten.

In genealogischer Hinsicht wird es interessieren,
daß Philippis Mutter Luise Kestner hieß. Diese
stammte von »Werthers Lotte«, der Mutter seines
Großvaters mütterlicherseits, ab. Auch Iffland gehörte
zu seinen Vorfahren.

Philippi war nicht nur ein äußerst fruchtbarer und
erfolgreicher Kunstschriftsteller, sondern auch ein
liebenswerter Mensch und Freund.

O. EISENMANN.

ZUR HANDTEXTILAUSSTELLUNG
IN DER KESTNER-GESELLSCHAFT HANNOVER

Nach dem Kriege der Waffen wird der Kampf
auf dem Weltmarkt beginnen. Mit anderen Mitteln
geführt, wird er nicht weniger erbittert sein als sein
grausiger Bruder. Das deutsche Kunstgewerbe wird
in diesem Messen der Kräfte eine bedeutsame Rolle
zu spielen haben; da ist es ein dringendes Erforder-
nis, beizeiten ernsthaft zu prüfen, ob alle Mittel bereit,
alle Forderungen der Zeit erfüllt sind.

Von vornherein lag es daher in den Absichten
der Kestner-Gesellschaft, neben der bildenden Kunst das
Kunstgewerbe nicht zu vernachlässigen. Was Malerei
und Plastik erobern, soll ja dort angewandt und aus-
gewertet werden. Das Kunstgewerbe ist von wichtig-
ster sozialer Bedeutung, weil es in alle Schichten dringt,
während Malerei und Plastik noch allzusehr im relativ
engen Ausstellungsbetriebe wurzeln. Ein Volk aber,
das hervorragende Werke der reinen Kunst in ge-
schmacklos ausgestatteten Wohnungen zeigt, ist selbst
bei den größten Leistungen in den freien Künsten
noch nicht würdig, die Führung des Weltgeschmacks
zu übernehmen. Denn heute kommt es nicht mehr
auf Einzelleistungen an, sondern auf die geistige Ein-
heit des gesamten Lebens. Wir wollen nicht mehr
das schöne Detail, sondern das harmonisch geordnete
Gesamtbild, nicht Geschmäcklertum, sondern Kultur.
Alle Auswirkungen künstlerischen Bemühens sind nur
Teilerscheinungen, die erst dann wesentlich werden,
wenn ein allgemeines großes Gesetz sie unter einem
umfassenden Baugedanken znsammenrafft.

So lautet vor der Handtexlilkunst unserer Tage
die entscheidende Frage: Ist sie zeitgemäß und ein
Kind des neuen Wolleus?
 
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