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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Kunststeuern
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 33. 31. Mai 1918

Die Knnstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschr. f. bild. Kunst erhalten Kunstchronik u. Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 40 Pf. für die dreigespalt. Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

KUNSTSTEUERN

Der Staat braucht mehr als jemals heut Geld. Er
streckt seine Arme nach allen Richtungen, wo er
Steuerquellen erfassen zu können meint. Wir wissen
alle, daß es nicht anders möglich ist, und jeder muß
bereit sein, Sonderinteressen zurückzustellen, wo es
um unerläßliche Notwendigkeiten der Allgemeinheit
geht. Es ist kein Wunder, daß die Blicke mehr oder
minder zuständiger Berater der Regierung sich dahin
richten, wo am sichtbarsten vor aller Öffentlichkeit
Summen, die dem Bürger ungeheuerlich erscheinen,
umgesetzt werden: auf die Kunstversteigerungen. Ist
sich auch jeder Wirtschaftspolitiker im klaren darüber,
daß die Oesamterträge des Umsatzes von Kunstwerken
eine lächerlich geringe Summe im Volkshaushalt dar-
stellen, und der kulturfeindliche Charakter ihrer Sonder-
besteuerung auch nicht durch die Höhe des Ertrages
in etwas wenigstens ausgeglichen wird, so mag sich
der Einsichtige mit dem Oedanken einer Vermengung
der schwer zu trennenden Begriffe von Kunst und
Luxus abfinden und eine Umsatzsteuer als möglich
und gerecht empfinden. Falsch und ungerecht aller-
dings ist es schon, daß Luxuswaren unterhalb einer
gewissen Preisgrenze freibleiben sollen, denn wenn
die Steuer einen nennenswerten Ertrag bringen soll,
so kann sie es nur durch den Massenumsatz der
billigen Waren, nicht durch die relativ selteneren Ver-
käufe teurer Gegenstände. Was aber weit wichtiger
in unserem Sinne ist, diese Steuer muß als eine direkte
Begünstigung der Schundwaren gegenüber dem Quali-
tätserzeugnis wirken. Sie ist in Wirklichkeit kunst-
feindlich, während sie sich volksfreundlich gebärdet.
Ein Luxus ist es ebenso, wenn der eine sich mit
billigen »Nippessachen« umgibt, wie wenn der andere
Renaissancebronzen kauft. Aber während der Kunst-
banause, der ganz gut ein paar Pfennige oder Mark
mehr bezahlen könnte, frei ausgeht, wird der Sammler,
der den nationalen Kunstbesitz vermehrt, mit einer
Ausnahmesteuer, die wie eine Strafe wirkt, belegt.

Immerhin—das sind erträgliche Ungerechtigkeiten,
erträglich darum, weil sie kaum genügen werden, das
Sammlertum ganz zu erdrosseln, und weil angeblich
das Volksempfinden, das auf gewisse Auswüchse und
wirkliche und vorgebliche Mißstände des Kunstmarktes
aufmerksam gemacht worden ist, diese »Strafsteuer«
verlangt. Aber neuerdings taucht in leider schon sehr
bestimmter Form wieder einmal der Gedanke einer
Besteuerung nicht nur des Umsatzes, sondern des
Kunstbesitzes auf. Der Abgeordnete Gothein veröffent-
licht im »BerlinerTageblatt« vom 24. Maiseinen Antrag
einer solchen Luxusbesitzsteuer, der nach seinem
Wunsche an die Stelle der Luxussteuer im Kleinhandel

treten sollte. Die Schlußworte seines Aufsatzes lauten:
»Bei der Stimmung im Reichstage ist freilich anzu-
nehmen, daß man den Antrag in eine Resolution um-
formen und die verbündeten Regierungen auffordern
wird, bei der Vorlegung einer Reichsvermögenssteuer
das nichtwerbende Mobiliarvermögen in der vorge-
schlagenen Form heranzuziehen.«

Wir sind nicht in der Lage, nachzuprüfen, wie
weit diese Behauptung den tatsächlichen Verhältnissen
entspricht. Wir wollen es nicht hoffen, daß die Dinge
auch nur so weit gediehen sind. Aber die Pflicht ge-
bietet uns, die Vorschläge des Abgeordneten zu prüfen
und die Öffentlichkeit sowohl wie vor allem die gesetz-
gebenden Körperschaften auf die schweren Gefahren
einer solchen Kunststeuer hinzuweisen.

Der Antrag verlangt für »Kunst- und Sammlungs-
gegenstände« eine Steuer von 0,75 °/0, die als Jahres-
abgabe zu erheben ist. Die Abgabe soll ermäßigt oder
erlassen werden können, wenn die Erhaltung solcher
Sammlungen einem künstlerischen oder wissenschaft-
lichen Interesse dient. Von der Steuer befreit sind

1. Einrichtungen von Geschäfts- oder Berufsräumen,

2. zur Weiterveräußerung oder im Betrieb des Steuer-
pflichtigen zur Verwendung kommende Gegenstände.

Wer mit den Verhältnissen des Kunsthandels und
des Kunstsammelns einigermaßen vertraut ist, wird
schon beim ersten Lesen die Unhaltbarkeit dieser Vor-
schläge erkennen. Aber wir wollen in aller Ruhe in
eine Prüfung eintreten. Da die Steuer ja offenbar
nicht nur für die paar Dutzend Multimillionäre ge-
macht ist, deren Zahlungsfähigkeit sich unserer Be-
urteilung entzieht, wollen wir als Beispiel den Fall
des soliden, kleineren Sammlers zugrunde legen, wie
er ja glücklicherweise auch heut noch häufiger ist,
als die größere Öffentlichkeit, die immer nur an die
bekanntesten Sammlernamen denkt, zu wissen pflegt.
Männer wie Beckerath und Gumprecht gehörten zu
diesem Typus, der um die Einbürgerung der Kunst
in Deutschland sich mehr Verdienste erworben hat
als Leute, die lediglich zu repräsentativen Zwecken
und mit unbeschränkten Mitteln Sammlungen anlegen.
Nehmen wir an, es habe im Laufe der Jahre durch
Aufspeicherung und Wertsteigerung eine Sammlung
sich gebildet, die einen Wert von einer Million Mark
repräsentiert, bei einem Jahreseinkommen des Besitzers
von 20000 M. Das Verhältnis dürfte keineswegs ein
ungewöhnliches sein. Nach dem Antrag Gothein würde
die jährliche Steuer 7500 M. betragen. Rechnet man
die übrigen Steuerlasten hinzu, so bliebe dem un-
glücklichen Sammler nur mehr ein kleiner Bruchteil
seines Einkommens für die ständig sich verteuernde
Lebenshaltung. Er stände also vor der Alternative,
entweder zu verhungern oder zu verkaufen. Er wird
 
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