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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Dresdner Brief, [2]
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371

Dresdner Brief

372

DRESDNER BRIEF
II.

Die Künstlervereinigung Dresden hat am Himmel-
fahrtstage ihre diesjährige Sommerausstellung eröffnet.
Die schönen Räume des neuen städtischen Ausstellungs-
hauses bieten im ganzen wieder das erfreuliche Bild
wie in den letzten drei Jahren, nur mit dem Unter-
schiede, daß die moderne Richtung diesmal noch viel
entschiedener betont ist als bisher. Das hat wohl mit
dahin geführt, daß die ungenießbaren kubistischen
Erzeugnisse von Felix Müller aufgenommen worden
sind, die der Ausstellung nicht zur Ehre gereichen.
Auch der Kubismus von Segall hat nichts Überzeu-
gendes — also hinweg mit solchen aussichtslosen
Versuchen. Eine andere bezeichnende Eigenschaft der
Ausstellung ist der starke Anteil von Münchner und
Berliner Künstlern: unter den 184 ausgestellten Ge-
mälden sind 43 aus München, 36 von dem Berliner
Maler Karl Hofer, der zurzeit in Zürich lebt, 3 aus
Weimar — nahezu die Hälfte des verfügbaren Raumes
ist also auswärtigen Künstlern eingeräumt, ohne daß
man damit einen wesentlichen Gewinn an neuen Ein-
drücken buchen könnte.

Das Beste für die Ausstellung haben wieder Robert
Sterl, Otto Gußmann, Carl Bantzer und Georg Wrba
geleistet. Von Bantzer sieht man ein ausgezeichnetes
Bildnis des Bildhauers Robert Diez in vornehm ge-
pflegter Malerei, beste ältere Richtung voll Geschmack
und feinem Farbensinn. Geschmack ist das, was vielen
Bildnissen der Modernen noch stark fehlt. Doch wird
man den trefflichen Offiziersbildnissen von Hans
Hanner und Gustav Meyer-Buchwald, wohl
auch dem von Paul Oberhoff außer ihren sonstigen
Vorzügen auch den eines sich läuternden Geschmacks
gern zuerkennen. Robert Sterls Baggerer, seine
Steinbrecher bei wuchtiger Arbeit und seine farben-
freudige russische Prozession beim Übersetzen über
die Wolga zeigen das anerkannte Können dieses her-
vorragenden Künstlers in neuen Abwandlungen seiner
bekannten Stoffe. Von Otto Gußmann sehen wir
drei weibliche Gestalten in bildnisartiger Auffassung:
rot auf rot, rosa auf rosa, rot auf rosa: die farbig
wohlgelungenen Bilder gehen hier Hand in Hand
mit Achtung vor der Form und guter Gesamthaltung.
Bei vielen der Jungen überwuchert die Farbe alles
andere, so daß der Eindruck der Ausstellung im
wesentlichen hierdurch bestimmt wurde. Viele Bilder
wirken infolgedessen rein kunstgewerblich, zum Teil
wie Gobelins. Eine Ausnahme macht Hans Nadler,
dessen Gemälde Rast — ein Bauer und eine Frau
mit dem Kind auf dem Schoß vor drei Felsen sitzend
— einen entschiedenen Zug zu stilistischer Größe
der Auffassung von Mensch und Landschaft — säch-
sische Schweiz — bekundet. Das stark empfundene
Bild gehört zu den besten Werken der Ausstellung.
Dazu gehören auch die drei stark stilisierten Land-
schaften von Richard Dreher, dessen Kunst von
van Gogh ausgehend doch ein eigenes Gesicht auf-
weist; neben der gebändigten Farbe kommt in ihnen
auch der Fluß der Linien bestimmend zur Geltung.

Am freiesten in der Malerei ist die Landschaft mit
den zwei Männern, die von der Brücke in den Fluß
herniederschauen, in dessen Wasser sich der bewegte
Himmel eigenartig spiegelt. Ludwig von Hof mann
(roter Eukalyptus in Form gotischer Bogen), Max
Feldbauer (zwei Rennplatzbilder und Vogelhaus im
Zoologischen Garten), Otto Hettner (Idyll), Eugen
Bracht (Das verschneite Copitz), Ferdinand Dorsch
(Picknick, Gartenrestaurant, Der blaue Stuhl freier und
flotter gemalt als bisher), Paul Rößler (Bildnis und
Komposition) sind mehr oder minder entsprechend
vertreten. Nennen wir noch die weite, stimmungsvoll
öde Winterlandschaft von Siegfried Mackowsky,
Erich Buchwald-Zinnwalds Frühling im Erz-
gebirge und Vorfrühling in Loschwitz, das Spiegel-
kabinett von Hans Fritzsch, Walther Juncks
Herrenbildnis, ein Waldbild mit temperamentvoll ge-
malten Akten von Fritz Stotz, Herbert Lehmanns
feinfarbiges angenehmes Bild eines ruhenden Mädchens,
Fritz Beckerts stimmungsvolles Innenbild Paar am
Spinett, Tanz um die Seifenblase von Gelbke, Cilio-
Jensens Stilleben, Rudolf Scheff lers Haydn-Kapelle in
rot, endlich Ernst Richard Dietzes sehr lebendige
Bilder: Markt inÜsküb und marschierendedeutschejäger
am Ochrida-See — so sind damit wohl die bemerkens-
werten Leistungen von Dresdner Künstlern genannt.

Unter den Münchnern tritt besonders Gustav
Jagerspacher hervor mit seiner »Taufe Christi« und
einer ergreifenden Kreuzabnahme, die über den üb-
lichen Mißbrauch biblischer Ereignisse zu Farben-
experimenten weit hinausgeht; Carl Caspar mit einer
ernst und überzeugend erfaßten Vision des »Johannes
auf Patmos«; auch Adolf Schinnerer (Warten, worin
der Künstler seinen Eindruck von den gegenwärtigen
Lebensmittelnöten zusammengefaßt hat), und Weis-
gerber f. Drei recht gute Gemälde stammen von
Walter Klemm (Weimat), darunter ein von oben
gesehenes stimmungsvolles Winterbild mit einem sich
in die Tiefe schlängelnden Fluß. Die 36 Bilder von
Karl Hofer, der sein Heil in stark primitiver eckiger
Zeichnung seiner Gestalten sucht und nur in wenigen
Blumenbildern, auch mit dem Jakob, der mit dem
Engel ringt, über dekorative Eindrücke hinauskommt,
wirken bei aller Achtung vor Hofers Talent in dieser
Menge etwas einförmig.

Ausgezeichnet gut ist die Plastik vertreten, vor
allem durch die bedeutsame Sonderausstellung Georg
Wrbas, der mit 18 neuen Werken sein ganzes über-
legenes Können von neuem belegt: eine Reihe mei-
sterhaftester, lebensvoller und dabei vornehm aufge-
faßter Büsten, darunter Professor Högg und Intendant
Dr. Zeiß, der überlebensgroße sterbende Krieger vom
Ascherslebener Kriegerdenkmal, die »Europa auf dem
Stier«, die pfeilschießende Diana, das junge Weib als
Studie zu einer Brunnenfigur — alle drei lebens-
groß — die Studien »Inferno« und »Purgatorio«
sowie der Löwe vom Hamburger Mönckeberg-Brunnen
bezeugen ebensowohl Wrbas eindringliches Naturstu-
dium wie sein tatkräftiges Schaffen auf eigenen Wegen
schöpferischer Betätigung. Neben Wrba kommt auch
Edmund Möller mit vortrefflichen Büsten Carl
 
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