Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Der Verkauf eines Rembrandt an das Ausland durch die Stadt Colmar
DOI Artikel:
Valerian von Loga
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0218

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
411

Der Verkauf eines Rembrandt an das Ausland durch die Stadt Colmar —

Valerian von Loga f

412

Von anderer Seite wird uns über diesen Schacher
noch folgendes gemeldet:

Der Verkauf des herrlichen großen Frauenporträts
von Rembrandts Schwiegertochter Margarete van Loo
ist bereits vor mehreren Monaten erfolgt, aber bis vor
kurzem völlig geheim gehalten. Dieses Bild ist aber
nicht das einzige Stück, das die Stadt Colmar aus
ihrem Kunstbesitz veräußert hat, da gleichzeitig das
ausgezeichnete Specksteinrelief Friedrichs des Schönen
von der Pfalz, ein Hauptwerk von Dauher, verkauft
wurde. Als Käufer wird der Kronprinz Rupprecht
genannt. Dies gibt vielleicht den Schlüssel dafür, daß
die bayerische Regierung, die seit Jahresfrist die
Colmarer Kunstwerke in ihrer Pinakothek gewisser-
maßen in Schutzhaft hat, die Erlaubnis zur Heraus-
gabe des Rembrandt aus der Pinakothek gegeben hat.
Das Dauher-Relief ist wenigstens in Deutschland ge-
blieben; weshalb machte aber der Statthalter von
Elsaß-Lothringen, ohne dessen Erlaubnis die Stadt
nicht verkaufen durfte, weshalb machte die bayerische
Regierung nicht zur Bedingung, daß der Rembrandt
wenigstens nur an ein öffentliches Museum in
Deutschland verkauft werden durfte? Den Statthalter
und vielleicht selbst die Stadtverwaltung hat man
wohl dadurch zu dem Verkauf bewogen, daß ein
paar kleine Holzfiguren, die zum Isenheimer Altar
gehörten, von dem Käufer des Rembrandt im Tausch
angeboten wurden. Aber was bedeuten diese beiden
derben Hirtenfiguren, die keineswegs etwa Arbeiten
von Orünewald sind, neben einem Rembrandt, oben-
ein einem Hauptwerk des Künstlers! Wenn unsere
Behörden mit solchem Beispiel vorangehen, wie
konnten sie daran denken, ein Kunstausfuhrgesetz
in Aussicht zu nehmen!

VALERIAN VON LOGA f

Vom alten Berliner Kupferstichkabinett ist im Krieg
der zweite hingegangen: Valerian v. Loga erlag am
24. Juni in Berlin, 57 Jahre, alt, einem Nierenleiden.
Seit Anfang des Krieges war er im Feld als Johanniter
und Delegierter einer Krankentransportabteilung. Die
flandrischen und russischen Winter mit ihren An-
strengungen, die er dem gewohnten Museumsdienst
und seinem behaglichen Heim vorzog, haben ein lange
vorbereitetes Leiden verstärkt, das diese scheinbar un-
verwüstliche Natur — seinen Freunden trotz langer
Sorge doch schließlich überraschend — fällen sollte.

Ein eigener Typus des Gelehrten, unter den
Kunsthistorikern seiner Generation nicht häufig und
bei den heutigen nur scheu ästimiert, schwindet mit
ihm, der den Mut hatte, Dilettant in des Wortes
eigentlichster, guter alter Wortbedeutung zu sein.

Für die Kunst brachte er den Vorteil mit, vom
Lande zu stammen und hatte schon, als er zur
Universität kam, mit der frühen harmonischen Ent-
wicklung aller Sinne einen Vorsprung vor anderen,
auch übrigens einen Mangel an Sinn für das Zünftige,
der ihn abseits von den Hörsälen auf eigenen Wegen
der eigenen Kraft vertrauen ließ. Er war schon durch
Italien gekommen und hielt mit dem dort Gelernten

und mit der Skepsis gegen seine Lehrer unter den
Kommilitonen bei Springer und Overbeck nicht
zurück. Seinen Bedarf an Autoritätsglauben befriedigte
er, wo er die seiner Natur gemäße Fülle und breite
Grundlage von Welt und Wissen fand, bei Ranke,
Justi, Hettner.

Diese Einheit zwischen Leben und Beruf war ihm
Natur; in dem schwer und behaglich Erscheinenden
wohnten die Gedanken leicht beieinander und gingen
auf luftiger Brücke her und hin, — aber diese Einheit
hat er im Amt nicht zu finden vermocht. Man sagt,
daß Bibliothek- und Archivdienst der literarischen
Produktion nicht förderlich sind — die Geschichte
der Berliner Museen gibt zum Glück genug Beispiele
dagegen — aber in Lippmanns altem Berliner Kabinett
fanden sich Menschen von alter Kultur und unge-
wöhnlicher Begabung zusammen unter einem Chef
von energischestem Organisationstalent und gleicher
Energie der Skepsis auch der Jugend gegenüber. Die
dünne Luft geistiger Überlegenheit und ein Fort-
schwingen der akademischen Jugend, die bei Jaro
Springer erst mit seinem Heldentod vor Nowo Ge-
orgiewsk endete, bei Logas angeborener Kraft doppelte
Ration in allem geistigen verlangte und vertrug, war
der wissenschaftlichen Produktion nicht günstig. Dazu
lebte in dem originellen Schöpfer des Kabinetts etwas
von Baumeister Solness' »Angst vor der Jugend<; er
ließ seinen Beamten nicht viel übrig. — So mochte
die jahrelange Verantwortungslosigkeit im Dienst beim
Gefühl der Vollkraft und großer Anlagen die histo-
rischen Eigenheiten des Garnisondienstes in langen
Friedensjahren erzeugen, und Lippmann konnte scher-
zen, wenn er die ihm mustergültige Organisation des
British Museums rühmte: »einen Autorenkatalog gibt
es dort; darin finde ich jedes Buch, sogar jeden Auf-
satz meiner Assistenten verzeichnet«. Er hat es nicht
mehr erlebt, daß sie das wurden, was er, ein Meister
der Skepsis, gern »berühmte Forscher« nannte.

In dieser Höhenluft schien die große Begabung
lange verurteilt, brach zu liegen, und in der Wissen-
schaft die übliche Anzahl Legitimationspapiere bei-
zubringen, ist ihm so lange nicht gelungen, daß er,
dem an umfassendem Überblick der Denkmäler kaum
einer gleichkam, von Spezialisten mißtrauisch angesehen
wurde. Er muß in gewissen Zeiten seiner Jugend mit
einem seltenen Gedächtnis die Fülle der Dinge auf-
genommen haben, die ihm dann, vor seinem klaren
Blick wohlgeordnet, noch lange zu Gebote standen;
Gesehenes, Gelesenes war erlebt und klang mit Erleb-
tem zusammen, und er beschwor es in überraschendem
Nebeneinander. Er hat es dem Goethe-Humanisten
Strehlke auf dem Thorner Gymnasium nie vergessen,
daß er die Tertia, als sie in offener Revolte die Horaz-
stunde zur Gesangstunde machte, mit den Worten
beschwor: Wie ist mir denn? ich höre ja die »tertia
canora« — diese Geistesgegenwart blieb sein Ge-
schmack. Als er mir den Reiseplan für Italien machte,
rühmte er das Kastell von Verona: »es liegt über der
Stadt wie von Cima gemalt«; an den gelbblühenden
Abhängen über der Havel fielen ihm Leopardis
Ginestra-Strophen ein; der Inbegriff römischer Land-
 
Annotationen