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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Valerian von Loga
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Curjel, Hans: Zur Bergmann-Frage: (siehe Kunstchronik 1918, Heft 34 und 36)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0221

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417

Valerian von Loga f

— Zur Bergmann-Frage

418

keit seiner Verwundeten sprechen. In seinem Herzen
saß das wahrhaft vornehme soziale Empfinden, das
Gegenteil von aller Streberei. Eben erst hörten wir
aus dem Felde, wie junge Offiziere, ehe sie nach vorn
gingen, ihm noch gute Stunden verdankten; ihm durften
sie sich anvertrauen und fanden in Irrungen und Wir-
rungen an seiner Offenheit und seinem spiegelklaren
Ehrgefühl den Wegweiser.

So ist das Behagen unzertrennlich von ihm, mit
ihm ins Feld gezogen, wie es in jedem Zirkel, im
Salon wie in der Fach Versammlung um ihn war, am
meisten in den eignen vier Wänden. Sein Heim hatte
im Durcheinander von Fülle und Farbigkeit, von Bü-
chern, Bildern, Stoffen, Majoliken über und zwischen
den alten Truhen, Lehnstühlen und Sofas ganz den
Stempel seiner Person, aber besonders dann, wenn
Kerzen über Gäste und Kristallflaschen mit der Herz-
lichkeit des Hausherrn um die Wette bei einem »pranzo
di gala« strahlten.

Dies Weltkind gehörte nicht seinem Fach allein,
und ich hatte Bedenken, vor Fachgenossen hier von
ihm zu sprechen, für deren Liebe er nicht sehr gesorgt.
Feierlichkeit war auch nicht in seinem Sinn, und alle
Fälle, die dazu verführen konnten, wie Familienereig-
nisse, brachten ihm eine leise Verlegenheit, die er mit
Grazie abzukürzen suchte, weil er dabei seine Herzens-
höflichkeit gegenüber der Gegenwart mit seiner Skepsis
der Zukunft gegenüber in Konflikt kommen fühlte.

Er schätzte es auch nicht und fand es nie ganz
würdig, daß sich jemand als Trauerweide an ein Grab
pflanzte, auch hätte er eine Versammlung von Freunden
überall lieber gesehen als um sein Grab — aber er
hatte Freunde und unter dem Wenigen, was er von
ihnen verlangte, war, daß sie zu ihm hielten, und sich
zu ihm bekannten. Wer glauben darf, diese Natur
verstanden zu haben, dem werden die Erinnerungen an
ihn wie der Abschiedsgruß des letzten Ritters klingen:
Gesegn dich Gott — wohl haben wir manch guten
Mut in dir gehabt, nun werden wir dich nit mehr sehn!

ZUR BERGMANN-FRAGE

(Siehe Kunstchronik 1918, Heft 34 und 36)

Zur Frage nach dem vermeintlichen Doppelgänger
des jungen Dürer, die neuerdings von Wölfflin und
Friedländer mit entgegengesetzten Resultaten behandelt
worden ist, sei noch folgendes Material beigebracht:

l. Der Salus Animae Nürnberg 1503 ist nicht das
erste Werk seiner Gattung, baut vielmehr auf den
Hortulis Animae auf, deren erste Ausgabe in Deutsch-
land am 13. März 1498 bei Wilhelm Schaffner in
Straßburg erschien.1)

1) Dodgson(XI. Veröffentlichungdergraph.Gesellschaft)
zitiert den Aufsatz von Seidlitz über die ersten gedruckten
Gebetbücher; Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen VI. Der
Druck Schaffners bei Kristeller Nr. 212. Grüningers Hor-
tulus von 1498, Kristeller Nr. 80, scheint von der Ausgabe
Schaffners abgeleitet. Schreiber 4241 ist kein Hortulus, son-
dern ein Gebetbuch, das vermutlich »Horae nostrae Do-
minae« zu betiteln ist.

Die Schnitte des Salus entsprechen in den Stoffen
nahezu völlig denen des Hortulus; ihr Stil zeigt die
Umwandlung der alten Typen in eine neue Form
bildlicher Darstellung. Beispiel: C. D. 59 sehr ähnlich
dem Johannes Evangelista aus dem Hortulus.

Die Maße der Salus-Schnitte sind den Maßen
der Hortulus-Schnitte fast völlig gleich; ca. 61x41 mm
und ca. 62x40 mm. Dagegen unterscheiden sich die
Maße der von Koegler (Rep. 1907, S. 195) als Hor-
tulus-Fragment veröffentlichten Heiligenfolge des Berg-
mann-Meisters durch ihre etwa 1 cm größere Höhe
bei etwa gleicher Breite beträchtlich von den Maßen
der Salus-Schnitte. Der Vergleich des bei Koegler
abgebildeten hl. Martin mit C. D. 81 und dem hl.
Martin aus dem Hortulus von 1498 zeigt obendrein,
wie nah in den Typen sich Salus und Hortulus stehen,
wie fern dazu der Basler Schnitt.

Die Schnitte des Salus sind nicht nur von »ge-
treuen« Sklaven Dürers als Fundament benutzt worden,
sondern auch von seinem »ungetreuen« Sklaven
Baidung. In dessen Schnitten zu den Hortulis Flachs
(Straßburg 1511 und 1512) ist aber auch das Funda-
ment des Salus noch zu erkennen: die Schnitte des
Hortulus von 1498 — was zu denken geben könnte.2)

2. Daß auf den kleinen Nürnberger Schnitten bei
der Anbetung der Könige Joseph fehlt, sei, wie auf
Dürers Gemälde von 1504 — nach Friedländer —
eine beispiellose ikonographische Eigentümlichkeit.
Diese beispiellose Eigentümlichkeit scheint jedoch in
der in Schwaben und am Oberrhein seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts heimischen Ikonographie der
Epiphanie üblich zu sein. (Schüchlin, Zeitblom,
Schongauer B. 6., folgerichtig auch beim Bergmann-
Meister: Diurnale Basiiiense Basel 1499 (Abb. bei
Weisbach, Meister der Bergmanschen Offizin Abb. 12)
und im Hortulus 1498).

Auffallend: Dürer behält Joseph bei auf dem an-
geblich frühesten Blatt des Marienlebens B. 87.

3. Drei merkwürdig ähnliche Gewandbildungen
kommen in der Postille, dem Gebetbuch und einem
1504 datierten Blatt des Marienlebens vor. Dürer
sollte also 1504 noch Motive von 1499 (Friedländers
Datierung der Gebetbuch-Schnitte) verwendet haben?
Das wäre aber ein Beweis, daß Dürer nicht »unbe-
denklich entwarf«, sondern daß er kläubelte3) — oder
daß es ihm an Phantasie mangelte. Allein, aus der
Art des mittelalterlichen Betriebes, der damals noch
in Dürers Werkstatt herrschte, lassen sich solche
Ähnlichkeiten erklären. Die drei sehr ähnlichen Ge-
wandmotive können auf eine Vorlage zurückgehen,
die von Dürer selbst stammt und von ihm und seinen
Gesellen in gleicher Weise benutzt wurde. (In ana-
loger Weise mag die fragliche Bonnat-Zeichnung Paulis
auf eine Vorlage zurückgehen).

4. Mit der frühen Datierung (auf 1499 etwa), wären
die Gebetbuch-Schnitte zeitlich ganz in die Nähe der
großen Apokalypse- und Passionsblätter gerückt. Dürer
hat selten oder nie — nach Friedländers richtiger

2) Dazu Dodgson a. a. O. S. 3, Zeile 23.

3) Brief an Heller, vom 26. Aug. 1509, Lange-Fuhse
S. 57: aber das fleißig kleiblen gehet nit von Statten.
 
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