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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Die "Kasseler Bilder" der Eremitage-Sammlung
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Nochmals der Colmarer Rembrandt!
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0234

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Nochmals der Colmarer Rembrandt!

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das reiche Gesamtbild der Entwicklung der nieder-
ländischen Malerschulen, das sie ohnehin gewährt,
erweitert und vertieft, wie etwa, wenn neben den »Segen
Jakobs« als Repräsentanten des späten Rembrandt nun
mit der »Kreuzabnahme« eine bedeutende Komposition
aus seiner Frühzeit tritt, oder die Zahl von Gemälden
von Teniers, Potter, van der Heyden usw. eine Be-
reicherung erfährt, die nicht nur eine Katalognummer-

vermehrung bedeutet, sondern das an sich hohe Niveau
der Galerie noch erhöhen kann. Bedeutet dies alles
schon damit eine überaus bedeutsame Vermehrung,
so wird man die Gewinnung der Vier Claudes und
des Andrea del Sarto noch als eine Steigerung unseres
nationalen Kunstbesitzes begrüßen dürfen, in welchem
diese Meister sowohl numerisch wie qualitativ nicht
allzugut vertreten sind. GRONAU.

NOCHMALS DER COLMARER REMBRANDT!

Nachdem wir in unserer letzten Nummer über
den Verkauf des Rembrandtbildes aus dem Colmarer
Museum an Herrn Fahraeus in Stockholm berichtet
hatten, ist die Angelegenheit in der Tagespresse viel-
fach diskutiert worden. Ergänzend sei nach den
Mitteilungen einiger Berliner Blätter erwähnt, daß die
Colmarer von Boehler für das Bild 400000 Mark
erhielten, während der schwedische Sammler als Kauf-
preis eine Million erlegen mußte. Wir nehmen hier-
von Notiz, nicht um in die moralische Entrüstung
einzustimmen, die sich darob erhoben hat — denn
es muß wohl einem geschickten Händler ebenso un-
benommen sein, möglichst günstig einzukaufen, wie
günstig zu verkaufen — aber es scheint uns, daß die
Colmarer Herren sich doch zum mindesten hätten an
maßgebender Stelle erkundigen können, welcher Preis
heute für einen Rembrandt ersten Ranges zu erzielen
ist. War es anderseits in München bekannt, daß das
Bild für den relativ billigen Preis von 400000 Mark
losgeschlagen werden sollte, so hätte es wohl nahe
gelegen, ein deutsches Museum oder einen deutschen
Sammler auf die ungewöhnlich günstige Kaufgelegen-
heit hinzuweisen.

Man hat auch Boehler zum Vorwurf gemacht, daß
er unpatriotisch gehandelt habe, als er das Bild nach
dem Ausland verkaufte, und man hat — wovor wir
gleich warnten — nach einem Gesetz gerufen, das
die Kunstausfuhr verbieten sollte. Eine solche Maß-
nahme wäre sehr kurzsichtig und würde letzten Endes
nur zu unserem eigenen Schaden ausschlagen. Auch
handelt es sich gar nicht darum, überhaupt zu
verhindern, daß Kunstwerke aus deutschem Besitz
nach dem Auslande abwandern, denn dies ist die
Voraussetzung dafür, daß andere auch wieder herein-
kommen können. Und in diesem Tauschverkehr sind
wir bisher immer der gewinnende Teil gewesen und
hoffen es auch nach dem Kriege wieder zu werden.
Der Fall liegt vielmehr ganz besonders, da es sich
um ein Kunstwerk aus öffentlichem Besitz und zwar
um ein ganz hervorragendes handelt.

Es ist in der Presse verlangt worden, daß die
Verantwortlichkeiten festgestellt werden, und es wurde
wiederholt die Frage aufgeworfen, wie es möglich
gewesen sei, daß das Bild ohne Protest der Direktion
aus der Münchener Pinakothek entfernt wurde. Wir
wollen auf diese Frage nicht eingehen, da die recht-
liche Möglichkeit eines solchen Protestes streng ge-
nommen problematisch erscheinen mag.1) Aber eine

1) Die Direktion der Bayrischen Staatssammlungen
hat in einer Erklärung zu den Mitteilungen der >Kunst-

andere Frage drängt sich auf: Warum wählte man
die Münchener Pinakothek als Aufbewahrungsort für
die Schätze des Colmarer Museums, da diese selbst
doch nicht vor Fliegerangriffen sicher und darum zum
größeren Teile ausgeräumt ist? Wären die Bilder nicht
im Untergeschoß der Pinakothek verstaut, sondern an
einem gesicherten Ort allgemein zugänglich aufgestellt
gewesen, so wäre der viel beanstandete Verkauf kaum
zustande gekommen.

Auf diese Frage wird die merkwürdige Antwort
erteilt: die Colmarer hätten Berlin nicht getraut und
gefürchtet, ihren Grünewald nicht zurückzuerhalten.
Dieses unbegreifliche Mißtrauen ist schließlich nichts
als ein Ausfluß des süddeutschen Partikularismus. Und
deshalb bleibt einer der größten Kunstschätze der
Deutschen Nation jahrelang ohne zureichenden Grund
der Öffentlichkeit vorenthalten!

Man hörte hürzlich von dem löblichen Entschluß
des Kölner Museums, Teile seiner Bestände in Cassel
und Braunschweig zur Ausstellung zu bringen. Das
gleiche läge für Colmar nahe genug. Es ging einmal
eine Notiz durch die Presse, daß in München eine
Grünewald-Ausstellirng geplant werde. Man mußte der
Nachricht alsbald Mißtrauen entgegenbringen, da es
unbegreiflich gewesen wäre, hätte man in der gleichen
Pinakothek, die man wegen Fliegergefahr ausräumte,
diese kostbaren Werke ausstellen wollen. Anders in
Berlin. Anstatt daß der Isenheimer Altar im Keller
schlummern muß, könnte er in Berlin, an würdiger
Stelle aufgerichtet, Tausenden, die sich heut mehr
als je nach künstlerischer Erbauung sehnen, ein Quell
des Genusses werden.

Darüber hinaus dürfte diese Ausstellung, die unter
dem Schlagwort »deutsche Kunst im Elsaß« ohne
große Mühe auch weiter ausgebaut werden könnte,
heut auch zu einem ausgezeichneten Propagandamittel
werden. Wir bemühen uns, durch Worte unser gutes
Recht auf das Elsaß zu erweisen. Hier hätten wir
Gelegenheit, durch historische Denkmale von unan-
fechtbarer Beweiskraft unser historisches Anrecht zu
bekräftigen. Auch dies ein Grund, nicht weiter den
kostbaren Schatz im Verborgenen ruhen zu lassen.
Schlimm genug, daß ein Opfer darum gebracht werden
mußte. Nun sei es nicht ganz umsonst geschehen!

chronik« gesagt, daß ihr die Bilder lediglich zur Aufbe-
wahrung übergeben gewesen seien, sie also jederzeit auf
Verlangen der Colmarer Stelle das Aufbewahrungsgut
herausgeben mußte.
 
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