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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Der Breslauer Menzelkauf
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0241

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 41. 6. September 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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DER BRESLAUER MENZELKAUF

Aus Breslau wird uns geschrieben:

Durch einen Aufsatz Fritz Stahls" im »Berliner
Tageblatt« wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlich-
keit auf den Verkauf eines wichtigen Bildes von Menzel
durch den Großherzog von Weimar gelenkt. Stahl
polemisierte dagegen, daß eine öffentliche Kunstsamm-
lung zur Veräußerung eines bedeutenden Kunstwerkes
schritt, um Mittel für andere Ankäufe flüssig zu machen,
und er stellt den Fall in Parallele mit dem Verkauf des
Colmarer Rembrandt. Zu der Angelegenheit erschien
in der vorigen Nummer der »Kunstchronik« eine
Richtigstellung, nach der das Bild sich gar nicht im
Weimarer Museum, sondern auf einer schlesischen Be-
sitzung des Großherzogs befunden haben sollte.

Diese Notiz beruhte auf einem Irrtum. Die Ge-
schichte des Bildes ist vielmehr folgende: Entstanden
ist es im Jahre 1857 im Auftrage der »Vereinigung
für historische Kunst« in Berlin. Der Preis betrug
damals 20000 M. Bei einer Jahresverlosung des Ver-
eins fiel das Bild dem Großherzog von Sachsen zu.
Bis zum Jahre 1909 hing es im Residenzschlosse zu
Weimar und wurde alsdann dem Großherzoglichen
Museum leihweise überwiesen. Anfang dieses Jahres
verkaufte der Großherzog das Bild an ein Konsortium
von Händlern, das es für einen sehr hohen Preis
dem Breslauer Museum angeboten hat.

Angesichts dieses Vorgangs hatte Fritz Stahl doch
wohl nicht unrecht, die Aufmerksamkeit der Öffent-
lichkeit auf den Fall zu lenken. Und eine Zuschrift aus
Weimar gibt ihm auch insofern recht, als es darin
heißt, daß man dort den Verlust des Bildes außer-
ordentlich bedauere. Aber nicht richtig scheint es
mir, diesen Fall mit dem Verkauf des Colmarer Rem-
brandt nach Schweden in eine Reihe zu stellen. Ab-
gesehen davon, daß es gewiß etwas Mißliches hat,
ein hervorragendes Kunstwerk, das — wenn auch nur
durch das Recht der Gewohnheit — in den Besitz der
Öffentlichkeit übergegangen ist, ihr ohne zwingenden
Grund wieder zu entziehen, wäre es am Ende kein
gar so großes Unglück gewesen, wenn das Bild anstatt
nach Breslau nach Stockholm verkauft worden wäre.
Nicht daß sein Wert damit unterschätzt werden soll.
Ganz im Gegenteil. Aber wenn das Ausland endlich
dazu gelangte, gute zeitgenössische deutsche Kunst
nach ihrem Werte zu würdigen, sollten wir zufrieden
sein und hätten keinen Grund, einen Verlust zu beklagen.
Wir veranstalten deutsche Ausstellungen im Ausland,
aber der Erfolg solcher gewiß nützlichen Kulturpropa-
ganda wäre doch erst dann bewiesen, wenn Sammler
und Museen ein tätiges Interesse für unsere Kunst be-

zeugten und etwa uns die Werke Menzels streitig zu
machen versuchten wie den Franzosen die Manets.

Nun, so weit sind wir leider noch nicht, und
Menzels »Begegnung Friedrichs mit Kaiser Josef in
Neiße« — der Titel gibt den Hinweis auf die Be-
ziehung zu Schlesien — scheint für Breslau gesichert
zu werden. Aber hier beginnt erst unser eigentliches
Interesse an dem Fall.

Bekanntlich ist der Posten des Museumsdirektors
in Breslau seit einiger Zeit verwaist. Wer also — so
fragt man nicht ohne Grund — ist eigentlich der
Käufer des Bildes? Zum April dieses Jahres sollte
die Wahl des neuen Direktors vollzogen sein. Es war
ein offenes Geheimnis, daß eigentlich nur zwei Be-
werber ernstlich in Frage standen. Die Entscheidung
konnte also nicht mehr gar so schwer sein. Plötzlich
hieß es aber in eingeweihten Kreisen, die Wahl sei
verschoben, und zwar gleich um ein ganzes Jahr ver-
schoben worden. Ein Grund dafür wurde nicht an-
gegeben, und man fragte sich vergebens, aus welchem
Anlaß man es für gut befunden haben konnte, das
Interregnum ohne zwingenden Grund zu verlängern.
Wollte man noch weitere Erkundigungen einziehen,
so genügte wohl auch ein kürzerer Zeitraum. Suchte
man nach neuen, passenderen Bewerbern, so war auch
im Verlaufe eines Jahres wenig Hoffnung, andere
Kandidaten namhaft zu machen, als bisher schon auf-
gestellt worden waren.

Sollte hier der geplante Menzelkauf mitgespielt
haben? Der Kauf ist eingeleitet, die Aufbringung der
Mittel für die sehr beträchtliche Kaufsumme macht
keine unerheblichen Schwierigkeiten, ist auch bisher
nur erst zu einem Teile gelungen. Es wäre gewiß
keine verlockende Aufgabe für den neuen Direktor,
sein Amt mit einer Kollekte bei den Mäzenen Breslaus
zu beginnen, noch dazu für ein Bild, dessen Ankauf
andere vor ihm in die Wege geleitet haben. So mögen
wohl die Urheber des Projektes es für richtig ge-
halten haben, ihren Kauf unter Dach zu bringen, ehe
der neue Mann eintrifft.

Auch damit könnte man sich noch abfinden, wenn
auch der Gedanke, daß am Ende mehr die historische
Beziehung der Darstellung als die künstlerische Be-
deutung des Bildes den Anlaß der Erwerbung bildete,
etwas Peinliches hat. Die entscheidende Frage ist
aber die, ob es überhaupt geraten war, für unser
Museum zur jetzigen Zeit ein Kunstwerk um einen
solchen Preis zu erwerben. Die Unhaltbarkeit der
Zustände im Breslauer Museum istfgerade in jüngster
Zeit auch von maßgebender Seite durchaus anerkannt
 
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