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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Der Breslauer Menzelkauf
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Neuerwerbungen der Londoner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0242

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Der Breslauer Menzelkauf — Neuerwerbungen der Londoner Museen

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worden. Daß ein durchgreifender Wandel dringend
not tut, ist nicht mehr ein offenes Geheimnis, sondern
überhaupt kein Geheimnis mehr. Dem neuen Direktor
steht keine leichte Aufgabe bevor. Er tritt ein Erbe
an, das nicht gerade beneidenswert ist. Und nun be-
lastet man dieses Erbe noch mit einer für Breslauer
Verhältnisse außerordentlich hohen Kaufsumme, die
ihm unter Umständen für Jahre hinaus die Hände
binden kann. Denn will er mehr sein als ein un-
bedeutender Verwaltungsbeamter, will er eine nützliche
Tätigkeit entfalten, will er an die durchgreifende Re-
organisation gehen, die so dringend erforderlich ist,
um doch allmählich das Museum auf ein Niveau zu
bringen, das der Bedeutung der Stadt entspricht, so
wird er Geld brauchen und immer wieder Geld. Und
kommt er jetzt mit dieser Forderung, so besteht die
Gefahr, daß er jedesmal die Entgegnung hört: wir
haben doch aber erst den teuren Menzel gekauft.

Man wende auch nicht ein, daß unsere Stadt ge-
nug Reichtum beherbergt, um sich trotzdem den An-
kauf des Menzel leisten zu können, zumal niemand
zu übersehen vermag, wie sich die Verhältnisse im
Laufe der nächsten Jahre gestalten werden. Hält man
das Bild für so wichtig und fürchtet, es sich ent-
gehen zu lassen, so hätte man die Wahl des Direktors
beschleunigen müssen, anstatt sie hinauszuschieben,
man hätte sich mit dem Herrn in Verbindung setzen
müssen und ihm die Sachlage, darstellen. Wäre auch
er mit dem Ankauf einverstanden gewesen, so hätte

man ihm die Führung der Verhandlungen und ihm
den Ruhm der Erwerbung überlassen sollen. Wenn
es wahr ist, daß — wie man sagt — der Einkaufspreis
des Menzel 420000 M. gewesen ist und er dem Bres-
lauer Museum — nach Angaben der Breslauer Tages-
presse — mit 650000 M. angeboten wurde, so hätte
ein erfahrener Museumsdirektor wohl auch eine solche
Forderung auf ihre vernünftigen Grenzen zurück-
geführt. Daß er von dieser wichtigen Angelegenheit
ausgeschlossen blieb, ist ein Mißtrauensvotum. Ander-
wärts stellt man einem neuen Direktor eine -große
Summe Geldes zur Verfügung, um seiner Wirksam-
keit eine breite Grundlage zu schaffen. Bei uns trägt
man Sorge, ihm von vornherein das Leben so sauer
wie möglich zu machen.

Ich habe schon einmal betont, daß dies Erwägungen
sind, die sich aus der einfachen Sachlage selbst er-
geben. Es braucht keine Kenntnis intimerer Vor-
gänge, um zu diesen Schlüssen zu gelangen. Durch
die Veröffentlichungen der Tagespresse ist ja auch die
Öffentlichkeit bereits über alle erforderlichen Einzel-
heiten hinreichend unterrichtet. Nur daß die Sache von
der Presse auf ein falsches Gleis geschoben worden
war. Aber wer noch ein Interesse für das wirklich
unerfreuliche Museum der Stadt Breslau aufzubringen
vermag, muß es bedauern, daß durch eine gewiß
gut gemeinte Ungeschicklichkeit wieder einmal die
Hoffnung auf baldige Besserung der arg verfahrenen
Zustände auf lange Zeit verbaut werden soll.

NEUERWERBUNGEN DER LONDONER MUSEEN

Die National Gall ery wurde im abgelaufenen Jahre
durch Ankauf nur um vier Werke bereichert, durch Schen-
kungen gelangte die gleiche Anzahl Gemälde in ihren
Besitz, und durch Vermächtnis im ganzen fünf Werke.
Unter den Ankäufen nimmt zweifellos die erste Stelle ein
bisher unbekannter, kleiner Rembrandt ein, von dem das
Novemberheft des Burlington Magazine eine Abbildung
brachte. Dargestellt ist ein alter Mann, der links im Hinter-
grund eines hohen Raumes sitzt, mit einem Tisch mit
Büchern vor sich; den mit einer flachen Mütze bedeckten
Kopf hat er seitlich nach dem Beschauer gewendet. Hinter
ihm ist ein hohes Fenster, das bis zur Decke reicht und
das durch ein Fensterkreuz in vier kleinere hohe schmale
Rechtecke geteilt wird; aus ihnen fällt schräg helles Tages-
licht in den Raum; nur das vordere, untere Fensterviertel,
unmittelbar hinter dem Philosophen^ ist durch einen Laden
geschlossen. Das Licht erhellt nur einen kleinen Teil des
Gemaches, der ganze Vordergrund ist in Dunkelheit ge-
hüllt, und die Wand gegenüber dem Fenster, vor der ein
Büchergestell mit Folianten und einem Globus steht, ist
nur undeutlich sichtbar; grelles Sonnenlicht fällt nur auf
die hintere Abschlußwand des Raumes, auf die das Fenster-
kreuz seinen Schatten wirft. Der hintere Teil des Raumes,
wo der Mann sitzt, scheint höher zu liegen als der vor-
dere Teil; doch sind Stufen, die nach hinten führen, auf
der Abbildung nicht zu erkennen. Das auf zwei dünne in
horizontaler Weise verbundene Eichenholzbretter gemalte
Werk mißt 2iy2Xl8 englische Zoll, also 54,6X45,7 cm.
Auffallend bei diesem Rembrandtschen Gemälde ist außer
der Kontrastwirkung zwischen Hell und Dunkel die im
Verhältnis zu dem hohen Raum so winzige Figur des
Philosophen, etwas was auch bei einem ähnlichen Gegen-

stand, dem sogenannten Heiligen Anastasius (in Stockholm)
begegnet; hier fehlt aber der schroffe unvermittelte Über-
gang von greller Helle in schwarze Finsternis; das Sujet,
das Rembrandt besonders in seiner Frühzeit so viel be-
schäftigte, ein meditierender alter Mann, ist das nämliche.
C.J.Holmes, der das Werk im Burlington Magazine publiziert,
möchte aus verschiedenen Gründen 1632 als das Entstehungs-
jahr ansetzen; die eine Farbenskala, monochrom in schwarz
und weiß auf braunem Grund, sowie die scharfe Hervor-
hebung einiger Einzelheiten, wie die Angeln der Fenster-
läden, die Risse in der Mauer, das Muster der Tischdecke,
die Aufschrift auf einem Pergament, könnten allerdings
auf ein etwas früheres Datum weisen; aber die Breite der
Ausführung und die außerordentliche Geschicklichkeit, mit
der die Lichtreflexe wiedergegeben sind, deuten auf eine
Reife, wie sie eben Rembrandt erst in dieser Zeit besaß.
Verschiedene andere englische Kunstgelehrte, die das Werk
gesehen haben, sind jedoch geneigt, dasselbe früher zu
datieren und plädieren für 1629. Auch Dr. Bredius, dem
nur die Photographie zur Verfügung stand, möchte das
Werk als eine frühe, sehr frühe Arbeit Rembrandts ansehen.
Durch diese Erwerbung ist eine empfindliche Lücke in
dem Bestand an Rembrandt in der englischen Staatssammlung
ausgefüllt, da aus seiner Frühzeit bisher keine Probe an-
wesend war. Das Bild befand sich bis Mitte Juli des vorigen
Jahres im Besitz des Generals Sir Francis Davies.

Einen wertvollen Zuwachs bedeuten auch die zwei
Fragmente eines Altargemäldes von Peselino, von dem
die Galerie schon den mittleren Hauptteil, die Darstellung
der Dreieinigkeit, besaß; über dieses Werk hat in einem
früheren Jahrgang des Burlington Magazine Lionel Cust
ausführlich gehandelt; dort findet sich auch eine Abbildung
 
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