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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Schmid, Max: Kunstlehre und Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0016

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Aus Paukert: Zimmergotik II.

KUNSTLEHRE UND ZEICHENUNTERRICHT.

VON MAX SCBMID.

Unser „Kunstgewerbe" steht unter dem Zeichen
der ,,Ornamentenschätze" und „Motivsammlungen",
unser ZeicJ/ciiuntcm'cJd unter dem der „Prinzipien"
und „Methodik" des Zeichnens. Beide Kategorien
von Werken füllen den Büchermarkt und werden
gern gekauft, da sie bestimmt sind, dem „Volke der
Denker" das Denken zu ersparen. Der Zeichen-
unterricht speziell erfüllt in gewisser Hinsicht in
keiner Weise seine eigentliche Aufgabe, der Kunst
und dem Kunstgewerbe ein künstlerisch fühlendes
Publikum zu schaffen. Auf seiner Unterstufe durch
die Methoden von Flinzer, Stuhlmann u. a. gut orga-
nisirt und zielbewusst der Ausbildung korrekter
Zeichner entgegengeführt, verliert er auf der Oberstufe
jeden Halt. Die Schüler der Oberklassen unserer
höheren Lehranstalten empfinden sehr wohl die gei-
stige Ode ihres Zeichensaals und lassen sich darum
hier nicht gerne treffen, ausser um die Weihnachts-
zeit, wo man Geschenke fabrizirt (gewisse Anstalten
bilden natürlich davon eine Ausnahme).

Eine Änderung ist nur möglich, sofern der
Unterricht eine geistig belebte Fortbildung und Er-
weiterung des Lehrstoffes der Unterklassen bilden
würde, wie das durch die Aufnahme der „Kunst-
lehre" ermöglicht wäre. Am weitesten ist dieser
Gedanke, den u. a., wenn auch in etwas anderer Fas-
sung und nicht so prinzipiell, Hirth schon anregte,
ausgesprochen in einem soeben erschienenen Druck-
werke des „Vereins österreichischer Zeichenlehrer",
betitelt „Vorschläge zur Neugestaltung des Zeichen-

unterrichts". Hier wird kurz und bündig verlangt:
Der Zeichenunterricht wird von Anfang an mit
Bücksicht auf Stillehre organisirt. In den Ober-
klassen treten Kunstgeschichte, Tektonik, Stillehre
und kunstgewerbliche Technologie immer mehr her-
vor, fügen sich schliesslich auch rein theoretisch
(natürlich unter stetem Vorlegen von Vorbildern) in
Form von abgerundeten Vorträgen dem Unterrichte
der letzten Klassen ein. Kunst und Kunstgewerbe
werden dabei ganz gleichmässig berücksichtigt, bei
Betrachtung der Renaissance z. B. als Übungsstoff
neben Peterskirche und Otto-Heinrichsbau ebensowohl
Gefä.ss- und Gerätformen der Renaissance benutzt.

Diese Druckschrift ist das Resultat vieljähriger
Arbeit eines ad hoc gebildeten Ausschusses des
österreichischen Zeichenlehrervereins. Es erschöpft
sich nicht in Redensarten vom erziehlichen Werte
der Kunst, sondern giebt einen genauen, detaillirten
Lehrplan des neuorganisirten Unterrichtes. Es wird
der Verein auch sich nicht mit Abfassung dieses
Memorandums begnügen, sondern durch unablässige
Arbeit demselben bei der Regierung Teilnahme und
schliesslich Verwertung verschaffen. Es steht zu er-
warten, dass unser deutscher Zeichenlehrerverein
nicht zurückbleiben, sondern in massvoller, das Be-'
stehende schonender Weise Ähnliches anstreben wird.

Möchten vorstehende Zeilen dazu helfen, ihm
dafür in den Kreisen des zunächst interessirten Kunst-
gewerbes Parteigänger zu verschaffen.

Aus Paukert: Zimmergotik II.
 
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