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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Riegl, Alois: Spätantike Stickereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0144

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128

SPÄT ANTIKE STICKEREIEN,

demselben Instrumente, mit derselben Nadel vollzogen,
die den gewirkten Grund hergestellt hatte. Diese
Art von Stickerei wird man daher füglich noch der
Technik der Wirkerei zuzählen dürfen, zumal sie
sich ausschließlich auf bloße flache Zeichnungen in
Linienform beschränkt. Wir wollen uns also im
folgenden nur mit jener zweiten Art von Stickerei
befassen, die auf gewebtem Untergrunde ausge-
führt ist.

Aber auch in diesem Falle werden wir noch
eine Einschränkung machen dürfen. Eingestickte
Punkte, kleine Inschriften, selbst aufgenähte Tuch-
ausschnitte kommen keineswegs selten vor und ver-
dienen als untergeordnete Erscheinungen keine ein-
gehendere Betrachtung. Nur diejenigen Stücke, an
denen die Verzierung als solche ganz oder doch in
der Hauptsache durch Stickerei hergestellt wurde,
sollen Gegenstand unserer besonderen Erörterungen
sein.

In der ganzen Kollektion die das Österreichische
Museum derzeit besitzt, befinden sich bloß drei
Stücke, die wir in dem eben definirten Sinne als
Stickereien bezeichnen dürfen. Zwei darunter stammen
aus Sakkarah, eines aus Akhmim. Die Funde aus
Akhmiin pflegt man gegenüber denjenigen aus Sak-
karah als die älteren anzusehen. In der That tragen
die in Purpur und Weiß gewirkten Stücke, die in
Akhmim die Mehrzahl der Funde ausmachen, im all-
gemeinen den klassisch-antiken Charakter in treuerer
Weise zur Schau, als die buntfarbig gearbeiteten,
die hauptsächlich in Sakkarah gefunden worden sind.
Aber es fehlt auch unter den letzteren nicht an Stücken
von rein klassischem Charakter, so dass das ange-
gebene Verhältnis sich vielleicht ebensogut aus
lokalen anstatt aus zeitlichen Abständen erklären
lassen könnte. Wenn ich also von den drei zur
Erörterung bestimmten Stickereien diejenige von
Akhmim voranstelle, so will ich damit der Ent-
scheidung in der Datirungsfrage keineswegs präju-
diziren.

Aus Akhmim stammt ein Leinenärmel, an wel-
chem die gewöhnliche Doppelborte an der üblichen
Stelle etwas oberhalb der Handwurzel eingestickt
ist. In Fig. 1 erscheint die linke Hälfte dieser
Doppelborte zur Abbildung gebracht. Der zu
Grunde liegende Stich ist nach Therese Miranis
eingehender Untersuchung unzweifelhaft ein Ketten-
stich, aber die einzelnen Stiche sind derart zu-
sammengedrängt und scheinbar in- und übereinander
verknotet, dass es erst eines genaueren Studiums
bedarf, um den Sachverhalt festzustellen. Unsere

Abbildung lässt freilich über die Stichart keinen
Zweifel, ohne dass man aber darin einen wesent-
lichen Mangel an Treue in der Wiedergabe zu er-
blicken hätte. Was nämlich am Original den Be-
schauer verwirrt, ist die tiefe Färbung der gekräu-
selten Purpurwolle, die die einzelnen Fäden nicht
genügend scharf von einander unterscheiden und
daher deren Verlauf nicht verfolgen lässt, während
in der Abbildung die Fäden und Stiche durch An-
bringung von Licht und Schatten von einander ganz
deutlich getrennt werden konnten. Ferner erscheint
am Original infolge der dicht gesetzten Stiche der
Leinengrund und mit ihm zugleich die Stickerei
vielfach verzerrt und verknittert, was gleichfalls,
weil gewiss ursprünglich unbeabsichtigt, an unserer
Abbildung ohne Schaden wegbleiben konnte.

Die geschilderte Art des Kettenstichs unter-
scheidet sich sehr wesentlich von derjenigen, die von
den Orientalen in neuerer Zeit geübt wurde und
noch heute geübt wird. Die orientalische Tamburir-
stickerei legt die Kettenstiche, wenn sie dieselben
auch in Kurven führt, immer ganz flach nebenein-
ander. Gewiss wäre ein solcher Vorgang auch für
den Sticker unserer Doppelborte der einfachste ge-
wesen.. Wenn er ihn nicht befolgte und jene ab-
sonderliche Weise wählte, so muss er hiebei von
einer bestimmten Absicht geleitet gewesen sein.
Da der Effekt der Arbeit derjenige einer Relief-
stickerei ist, so erscheint es offenbar, dass der Sticker
nicht eine Flach-, sondern eine Reliefverzierung auf
dem textilen Grunde beabsichtigt hatte. Es ist auch
nicht abzusehen, warum der Arbeiter bei der Absicht
auf Flachverzierung von der ihm so sehr vertrauten
Technik der Wirkerei — der denkbar flachsten
Textilverzierung, weil durch das einfachste Gewehe
selbst hervorgebracht — hätte abgehen sollen.
Wollte er aber eine Reliefverzierung anbringen,
dann konnte er allerdings mit der Wirkerei nichts
mehr ausrichten, und war somit gezwungen, an ihre
Stelle die Stickerei treten zu lassen.

Was die Details der Doppelborte anbelangt, so
besteht dieselbe aus einer doppelt wiederholten
Wellenranke mit je zwölf Windungen. Anfang und
Ende jeder Ranke erscheint durch je einen aus drei
Seiten eines Rechtecks gebildeten Ansatz bezeichnet,
dessen beide längere Seiten überdies mit Zacken
berändert sind. Die obere Ranke ist im einzelnen
vollkommen gleich mit der unteren behandelt; trotz-
dem erscheint eine Abwechslung und ein Zusammen-
wirken beider Ranken zu einem einheitlichen höheren
Ziele durch den Umstand hervorgebracht, dass die
 
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