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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Zur Wiener Dekorationsmalerei, [1]
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Das Kunstgewerbe in den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0014
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DAS KUNSTGEWERBE IN DEN PARISER SALONS.

aber entziehen sieb feinsinnige Künstler doch auch auf
treffliche Art dem Missverständnisse, das hier in einem
Zuviel liegt, und sie gestalten in mehr oder minder un-
anfechtbarer Weise das historische Motiv zu einer freien
künstlerischen That, ohne jenes zu verwischen. Auf
diese Weise kommt ein Zug von Realismus in ihre Werke,
der sich freilich mehr in der Auffassung als in der
äußeren Kunstform kundgiebt.

Und auch noch in anderer Richtung scheidet sich
der Inhalt unserer modernen dekorativen Kunstwerke
von dem der vor einem Vierterjahrhundert entstandenen
Werke. Das illustrative Genre, einstmals überall
herrschend, ist mehr und mehr in den Hintergrund ge-
treten. Dieser gewaltige Umschwung zeigt sich am deut-
lichsten, wenn man die Ausschmückung der Oper und des
Burgtheaters vergleicht. Das Illustriren haben die Jungen
überhaupt aufgegeben. Wer hätte dies vor 25 Jahren
gedacht, da jede Ausstellung Faust, das Lied von der
Glocke, alle Frauen- und Heldengestalten unserer Dichter
in ewiger Wiedergeburt brachte, von dem Illustrations-
rummel der Prachtlitteratur ganz zu geschweigen. So

hat sich in Betreff des Inhalts eine gewisse Wandlung
überall vollzogen, der zum Teil auch die Auffassung des
gewählten oder gegebenen Stoffes und dessen technisch-
künstlerische Gestaltung entspricht, und man sieht mit
Freuden, dass die alte akademische Richtung, wenn auch
nicht durchwegs von den Akademikern, so doch fast aus-
nahmslos von jenen unverdorbenen Talenten, die den
Akademien den Rücken gekehrt haben, allmählich über-
wunden wird. Angesichts dieser Erscheinung, welche
frisch pulsirendes Leben und ernstes seiner selbst ge-
wisses Streben zeigt, ist dieFrage nach Realismus, Idealis-
mus oder Naturalismus ziemlich gleichgültig. Das sind
schematische Bezeichnungen und vielleicht nicht einmal
immer Begriffe der Gelehrten und Kritiker, um die sich
kein echter Künstler kümmert. Es kommt schließlich
doch nur darauf an, dass uns in einem Kunstwerke eine
starke künstlerische Individualität anspricht, die sich die
Formen, deren sie bedarf, nach ihrer Weise zurechtlegt;
sie erfreut in jedem Gewände, das sie sich nach eigenem
Behagen wählt und jedes wird sie kleiden.
(Fortsetzung folgt)

DAS KUNSTGEWERBE IN DEN PARISER SALONS.

IE französische sowohl, wie die auslän-
dische Presse ist in folgsamer Ehrer-
bietung vor den Stimmen einiger ton-
angebenden Kritiker im Lobe der dies-
jährigen Kunstausstellungen ziemlich
sparsam gewesen, die Erzeugnisse des
Kunsthandwerks, die auf dem Marsfeld und in ge-
ringerer Anzahl in den Champs Elysees ausgestellt
sind, rechtfertigen indes diese Zurückhaltung nicht.
Sie bekunden vielmehr erfreuliche Fortschritte, die das
französische Kunstgewerbe in den letzten Jahren ge-
macht hat, eine erstaunliche Meisterschaft vor allem
in den Metallarbeiten, eine überwältigende Fülle neuer
interessanter Motive und Formen. Die gefällige Anmut,
die sich in diesen Objets d'art ausprägt, könnten sich
unsere deutschen Kunsthandwerker zum Vorbild nehmen;
sie würden dann vielleicht die starren scharfkantigen
Formen der einheimischen Schalen, Vasen u. s. w. mit
den stereotypen Liniendekorationen verlassen und aus
dem Banne lähmender Reminiscenzen erlöst werden, um
in freierem Fluge in das Gebiet selbständiger Erfindungen
hinüberzuwandern. Paris ist nicht bloß die Führerin
der Mode, sondern überhaupt die Metropole des guten
Geschmacks, und es wird hohe Zeit, dass wir ihrem
Beispiel auch im Kunstgewerbe folgen, wenn wir uns

hierin nicht von Frankreich und auch von England
gänzlich überflügeln lassen wollen.

Selbst der berühmteste französische Maler ver-
schmäht es nicht, Vorlagen für Tischler, Töpfer, Teppich-
wirker u. s. w. zu zeichnen; das Vorurteil, mit welchem
der deutsche Künstler jede Arbeit ablehnt, die einem
irgendwie praktischen Nutzen dient, ist hier unbekannt.
Ein so genialer Mann wie der verstorbene Jean Carries,
dessen Werke im Marsfeldsalon einen besonderen Saal
füllen, nannte sich mit Stolz einen Töpfer; in seinen
Terrakottaköpfen hat er eine ganze Skala menschlicher
Charakteigenschaften ausgedrückt. Warum sollte es auch
unter der Würde eines Künstlers sein, eine Thürklinke,
einen Leuchter oder eine Vase geschmackvoll herzu-
stellen und für die künstlerische Ausstattung unserer
Wohnungen zu sorgen? Dass in Frankreich der gute
Geschmack allgemeiner verbreitet ist, liegt nicht zum
geringsten Teil daran, dass hier auch hervorragende
Künstler ihr Talent bereitwillig in den Dienst sol-
cher Aufgaben stellen und dadurch das Publikum an
durchgebildete Formen gewöhnen. In Deutschland be-
gnügen wir uns noch immer vielfach mit den billigen
und schlechten Fabrikwaren und vergessen ganz die
ruhmvolle Vergangenheit des deutschen Kunsthandwerks,
dessen Erzeugnisse die Hauptzierden unserer Museen
 
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