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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Hagen, L.: Die deutsche Smyrnateppich-Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0212

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Kopfleiste, gezeichnet von H. MEYER-Cassel, Stnrnbcrg.

DIE DEUTSCHE SMYRNATEPPICH - INDUSTRIE

IN der Neuzeit, wo das Interesse an dem Empor-
blühen der verschiedenartigsten Verzierungsweisen
auf allen erdenklichen Gebieten des Kunstgewerbes
so ungewöhnlich gross ist, dürfte es nicht ohne
Nutzen und Interesse sein, der Geschichte der deut-
schen Smyrnateppich-Industrie einige Aufmerksamkeit
zu widmen. Sie ist nach verschiedenen Richtungen
hin der Beachtung wert, da sie einesteils zeigt, welche
vielseitigen Bedingungen für das Gedeihen einer Tech-
nik erfüllt werden müssen und weil sie andererseits
beweist, dass es immer noch bestimmte Grenzmarken
giebt, welche das Nebeneinanderbestehen von Hand-
arbeit und Maschinenarbeit anscheinend auf lange
Zeit hinaus sichern.

Bekanntlich ist die Industrie des Teppichknüpfens
mit Unterstützung der Regierung in Deutschland ein-
geführt worden. Durch Vermittelung der Gesandt-
schaften gestattete die türkische Regierung einem tüch-
tigen schlesischen Weber, das Knüpfen des unlöslichen
morgenländischen Teppichknotens zu erlernen. Dieser
Weber wurde dann vor reichlich fünfzig Jahren der
Lehrmeister vieler Schlesierinnen und Spreewäldlerin-
nen, die allmählich einen Grundstamm von geschickten
Knüpferinnen stellten. Es war keine geringe Aufgabe,
alle die Arbeiterinnen heranzuziehen, die gegenwärtig
in den verschiedensten Gegenden des deutschen Reiches,
in Spremberg, Kottbus, Hannover-Linden, Ansbach,
Würzen, Elberfeld u. s. w. thätig sind. Die unschein-
bare Arbeit des Knüpfens ist nämlich keineswegs so
einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Ab-
gesehen davon, dass weitaus nicht alle, die als Lehr-
linge eintreten, die unentbehrliche Fingerfertigkeit und

Kunstgewerbeblatt. N. F. XI. H. n.

Fingerfestigkeit erlangen, ist ein ganz erheblicher
Aufwand an Intelligenz erforderlich. Die Arbeite-
rinnen sitzen in langen Reihen auf einer Lade vor
dem Webstuhl. Auf letzteren ist die Kette aus kräf-
tigem Hanf- oder Leinenfaden aufgezogen. Jede
Arbeiterin hat ein patroniertes Muster vor sich. Sie
knüpft danach ihre bestimmte Zahl von Fäden in die
Kette hinein. Selbstverständlich ist sie für das rich-
tige Aufeinandertreffen der Übergänge verantwortlich.
Ferner giebt es Ecken und Musterfiguren von rechts
nach links umzusetzen; auch werden häufig die Vor-
lagen in andere Farbenstellungen übertragen. So
wird der Blick für Abstufungen und Schattierungen
geschärft und der Farbensinn in einer Weise geschult,
die nicht ohne Einfluss auf die Geschmacksbethätigung
der Arbeiterinnen in ihrer häuslichen Umgebung
bleiben kann. Dass die Thätigkeit am Teppichweb-
stuhl eine verhältnismässig gesunde ist, macht das
Aufblühen dieser Industrie besonders erfreulich. Da
besondere Maschinen zum Zerschneiden der Woll-
fäden in die erforderliche Länge vorhanden sind,
atmen die Arbeiterinnen nur wenig Wollstaub ein.
Aller vorhandene Staub wird überdies so bald und
so weit wie möglich beseitigt.

Das Schiffchen, welches den derben wollenen
Einschlagfaden zwischen dem Aufzug hin und her
führt, ist von einfachster Beschaffenheit; in der That
stellt es nur ein schlichtes Holzbrettchen mit Gabel-
enden dar. Der Einschlagfaden wird von den Ar-
beiterinnen mit einem schaufeiförmigen Kamm fest-
geschlagen, dessen Metallzinken in den Kettenfaden
hineingreifen. Zur Herstellung des Einschlagfadens

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