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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Leisching, Julius: Einige Alt-Wiener Brunnen und Höfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0172

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ALTER HOF IN WIEN, NUSSDORFERSTRASSE

EINIGE ALT-WIENER BRUNNEN UND HOFE

VON JULIUS LEISCHINO

JE südlicher man kommt, desto größer wird die
Lust am sprudelnden Wasserquell inmitten des
steineren Häusermeers, desto häufiger die künstle-
rische Fassung des belebenden Elementes. Wo das
Eisen und der tüchtige Schmied zur Hand war, hat
man ganze Lauben aus eisernen Ranken und Blättern
darüber gewölbt. In Wien obliegt die Arbeit dem
Stein und dem Bildhauer. Die Stadt, welche am
Ende des 17. Jahrhunderts einen so erfolgreichen
Wettstreit zwischen zugewanderten wälschen und ein-
geborenen deutschen Meistern erlebte, ist reich an
öffentlichen und still verborgenen Brunnen. Dem be-
deutendsten der heimischen Bildhauer, Georg Raphael
Donner, verdankt sie die schönsten Beispiele beider
Arten. Sein Mehlmarktbrunnen mit den vier Fluß-
göttern Niederösterreichs ist zu bekannt, als daß er
noch erwähnt zu werden brauchte. Als richtiges
»Verkehrshindernis« im Mittelpunkt der Stadt stolpert
zum Glück auch der Blindeste über seine Stufen.
Weniger gut geht es schon seinem lieblichen Andromeda-
brunnen im Hofe des alten, seinem früheren Zwecke
längst entzogenen Rathauses in der Wipplingerstraße
(Abb. S. 172). Ist auch die Gestalt der nackten Schönen
weit weniger natürlich aufgefaßt als die ruhenden

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Flußgötter des Mehlmarktbrunnens, so wirkt dafür
der ganze Aufbau ungemein glücklich und vor-
nehm. Um diese Zeit (1740) hat in deutschen
Landen kein Bildhauer auf diesem Gebiete ähnliches
zu leisten vermocht.

Noch manchen selten oder nie betretenen Hof in
den Palästen des 18. Jahrhunderts schmücken verwandte
Anlagen. So gleich das Savoyische Damenstift in der
Johannesgasse, von dessen Stirnseite herab uns die
schönste Gruppe des genialen Franz Xaver Messer-
schmidt begrüßt, die um 1768 in Blei gegossene
Jungfrau Maria auf der Kugel, welche von Wolken
und Engeln getragen wird. Wird darin die unbe-
fleckte Empfängnis in einer ekstatisch gen Himmel
blickenden Gestalt voll weiblicher Anmut verkörpert,
so bietet der von zwei Löwen bewachte, architektonisch
so würdig umrahmte Brunnen des stimmungsvollen,
abgeschiedenen Hofes dem Künstler in der Dar-
stellung der reichen Witwe die gegenteilige Aufgabe:
ein schweres Gefäß in leicht nach vorn gebeugter
Haltung seines Inhalts zu entledigen (Abb. S. 171). Ein
in den Giebel über dem Brunnen eingesetztes Relief
mit dem Propheten Eliseus mit der darunter befind-
lichen Inschrift gibt den Sinn der Darstellung: >Eliseus

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