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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Behne, Adolf: Fortschritte in der Kunstkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0053

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FRANKFURTER KUNSTGEWERBESCHULE

FORTSCHRITTE IN DER KUNSTKRITIK
Von Dr. Adolf Behne

DIE Gerechtigkeit verlangt anzuerkennen, daß unser
Kunstpublikum heute eine größere Bereitwillig-
keit dem Neuen gegenüber zeigt, als es früher
lange Zeit der Fall gewesen ist. Die Neu-Sezessio-
nisten werden ruhiger aufgenommen als seinerzeit Böcklin
oder Manet oder Uhde. Ist das innere Verständnis für
die Kunst und für ihre Erneuerungen gewachsen? Der
Grund dürfte weniger eine wirkliche Vertiefung des
künstlerischen Verständnisses sein — obgleich ein ge-
steigerter Ernst in diesen Dingen gegen manche früheren

Zeiten unverkennbar ist — als ein im Publikum weit-
verbreitetes Gefühl der Unsicherheit. In den siebziger
und achtziger Jahren war ein uns heute unerträglich er-
scheinender »Guterstubengeschmack« die fast allgemeine
Norm. Seine lange Herrschaft machte auch die bescheiden-
sten Geister sicher und mutig, das Philistertum, das in
künstlerischen Dingen damals blühte, wußte sich in der
Mehrzahl, wußte sich einig und nutzte seine Macht aus,
grausam und erbarmungslos allem Exzeptionellen d. h.
Unphiliströsen mit dem Fluche der Lächerlichkeit drohend.
Dann kam der Konflikt.
Die Künste lehnten sich in
den besten ihrer jungen
Vertreter auf, und damit
waren die schönen,ruhigen
Zeiten, als jeder sein Ur-
teil wußte, vorbei. Denn
nun kam Stoß auf Stoß, ein
Kampf aller gegen alle, der
noch heute nicht erloschen
ist. In diesen Zeiten nun
kam dem Publiko die schö-
ne Sicherheit abhanden.
Trotzdem es Böcklin ge-
steinigt hatte, sah es ihn
siegen, der verlachte Thoma
kam obenauf, man lernte
seinem Urteile mißtrauen.
DieserZustand der inneren
Unsicherheit ist es, der den
Künstlern heute zugute
kommt. Das Publikum wagt
nicht mehr so leicht zu
lachen, es ist selbst oftge-
nugzum Gespött geworden,
n Dieser Zustand nützt
gerade den Allerjüngsten
unserer Kunstausstellun-
gen, den Expressionisten,
Neu-Sezessionisten, Kubi-
sten, Synthetikern usw., die
dafür sorgen, daß das Pu-
blikum, welches gerade die
Höhe mit dem Impressio-
nismus glaubte erstiegen
zu haben, auch heute nicht
zur Ruhe komme, die es
zu einem abermaligen Um-
lernen zwingen. □
o In der kunstgeschicht-
lichen Fachwissenschaft be-
merken wir nun eine Ent-
wicklung genau parallel
dem Verhalten des Publi-
kums. Man lese die Aus-
stellungsreferate der »Zeit-
schrift für bildende Kunst«,
des »Kunstblattes« usw. aus
den Jahren, als Feuerbach
um seine Anerkennungrang
und diejenigen von heute!
Damals ist von Feuerbach
kaum die Rede, wird er ge-
nannt, so geschieht es nör-
 
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