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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Brandt, Georg: Kunstgewerbliche Übertreibungen
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Bredt, Ernst Wilhelm: Karl Matthies
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0139

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KARL MATTHIES, BERLIN

1 QO
1JZ

liehen Entwickelung unserer Tage sehr erheblich gefehlt
und fehlt es noch. Und hier, nur hier, steht der Feind
jetzt, und nicht an einem Mangel, an einem zu kleinen
Kreise solcher, die heute an den Fragen und an dem
Vollbringen des Kunstgewerbes teilnehmen. n
d Wir haben uns eine Zeitlang eingebildet: es wäre
unser kunstgewerbliches Verlangen das Zentrum deutscher
Oeistestätigkeit; und da es nun aber einmal bei uns nicht
so steht, da wir auch »einiges Weniges« in Literatur,
Musik geleistet haben, und der Anteil des deutschen Volkes
an diesen letzteren Dingen nun einmal größer ist, und bis
zu einem gewissen Grad größer bleiben wird als die
Teilnahme an den speziell bildnerisch-kunstgewerblichen
Dingen, so ist in diese zentrale Betonung eine Schiefheit,
eine Gespreiztheit vielfach hineingekommen, über die man
sich nicht täuschen kann, die sicherlich heute sehr viele
empfinden und der zu begegnen meines Erachtens viel ver-
dienstlicher ist und für den Fortgang, für den gesunden
Fortgang, unseres kunstgewerblichen Aufschwungs viel
vorteilhafter als über einen Mangel des Interesses an
solchen Fragen überhaupt zu klagen, der in dem alten
Grade durchaus nicht mehr vorhanden ist. o
□ Wir sehen — einmal auf das Gebiet der Innenarchitektur
blickend — wie wir von der Gestaltung besseren Einzel-
möbels allmählich zur ganzen Innengestaltung des Raums,
zur Innenarchitektur, gelangt sind, zur Vereinheitlichung
des Raums mit seinen Möbeln. Das letztere ist gewiß
eine hohe Stufe der Wohnungsgestaltung. Eine hohe
Möglichkeit und Einheitlichkeit ist damit gegeben. Aber
sind wir dabei nicht auch vielfach schon viel zu weit ge-
langt? Braucht jedes Zimmer an sich schon ein Kunst-
werk zu sein, muß es durchaus als solches betrachtet

werden; als ein rundes, vollkommenes Kunstwerk? Heißt
das nicht die Dinge zu schwer zu nehmen, allzu viel und
allzu absichtlich Kunst zu bemühen? Heut gilt doch bei-
nahe als Banause, wer nicht überall und an jedes Zimmer
diesen Maßstab voll anlegt, und doch nicht nur an jedes
Zimmer, sondern auch noch an die kleinste Dose. Nicht
als ob nicht auch das Kleinste noch eine Aufgabe tüchtiger
Gestaltung abgebe — das wird hier nicht erst besonders
gesagt zu werden brauchen — aber dieses beständige
nervöse Postulieren eines Hauptkunstwerks ist das Über-
triebene und Schiefe. War denn etwa in alten kunstbe-
rühmten Zeiten je jeder Schrank, jeder Napf wirklich ein
rundes Kunstwerk, sondern nicht so und so oft einfach
ein Stück guter anständiger Arbeitsgestaltung? □
n Worte können hier leicht mißverstanden werden. Aber
die Sache ist gar nicht mißzuverstehen: Nicht allzu sehr
und allzu betriebsam von Kunst reden und überall und zur
kleinsten Gestaltung »hohe Kunst« bemühen wollen; darauf
kommt es jetzt an. Indes der Gegner von einst, Material-
schund und Schundarbeit, nunmehr beträchtlich einge-
schrumpft ist. □
o Gewiß gar mancher, der heute an dem herrlichen Auf-
schwung unseres Kunstgewerbes, ja mehr, an der ganzen
Kunstgesinnung auf diesem Gebiete, näheren Anteil nehmen
möchte, steht jetzt noch abseits, weil ihn das vielfach Über-
triebene, Schiefe, Maßlose in der theoretischen Behandlung
dieses ganzen Gebietes, wie auch nicht selten in der prak-
tischen Betätigung, abstößt oder verwirrt. Es heißt jetzt:
von der Kompliziertheit zum Einfacheren, von dem vielfach
Bewegten zu größerer Ruhe, von jeder übertreibenden
Geste zur klaren Besonnenheit gelangen. o

KARL MATTHIES
Von Dr. E. W. Bredt

UNSERE Vorstellungen über das künstlerische
Leben der Vergangenheit sind zumeist viel
schöner als sich mit den historischen Tat-
sachen vereinbaren läßt und die meisten, die mit den
künstlerischen Erscheinungen unserer Zeit unzufrieden
sind, rufen die vergangene auf als eine, die weit mehr
große Künstler erzeugt und erzogen habe als unsere.
— Und doch kann sich unsere Zeit getrost mit der
deutschen Renaissance vergleichen, wenn es darauf
ankäme, die Zahl der originalen Künstler beider Zeiten
gegeneinander abzuwägen. Das gilt ganz besonders
auf dem Gebiete der freien und der angewandten
graphischen Kunst. Die gegenseitigen Entlehnungen
der Künstler spielten damals eine weit größere Rolle
als heutzutage. Die Kunstwissenschaft stellt gegen-
wärtig fast alltäglich Entlehnungen der Meister des
16. Jahrhunderts fest, so daß wir teils über deren
rechtliche Naivität, teils über die Geschicklichkeit der
Benutzung eines fremden Motivs staunen müssen. □
□ Der Rechtsbegriff des künstlerischen Eigentums
war ein anderer, anders waren also auch die Schutz-
gesetze, die Privilegien. — So wurde damals für
unser Rechtsgefühl zu wenig geschützt, heute viel-

leicht zu viel oder zu engherzig. Wenigstens sollte
nie vergessen werden, daß es immer noch besser ist,
die Erfindungen der wenigen Schöpferischen geben
Anregungen den vielen Armen, als daß das Minder-
wertige allein den Markt beherrscht. Überdies, wenn
auch nie die Illusion gewisser Kunstpropheten sich
erfüllen wird, es werde einst ein Volk von Genies
geben, die künstlerische Schöpferkraft hat sich tat-
sächlich vermehrt, es gibt heute mehr Schöpferische,
wenigstens auf Einzelgebieten, als zuvor. □
□ Zu den Künstlern dieser Art gehört Kprl Matthies.
Er ist kein Maler, der sich durch sensationelle Ge-
mälde, er ist kein Graphiker, der sich durch sprühende
Erfindungen hervorgetan, und doch eine in sich ge-
schlossene künstlerisch schöpferische Persönlichkeit,
auf die wir nachdrücklich die hinweisen müssen, die
aus kleinmütiger Unwissenheit heraus, unsere Zeit arm
nennen an ernsten, tüchtigen künstlerischen Indi-
vidualitäten. Und Karl Matthies ist wieder mal einer
aus eigener Kraft, einer der nur sich begabte, einer
der alles sich zu danken hat, seiner Lust zum Ge-
stalten, seiner Energie zur »Bildung«. Wieder ein-
mal ein Bildner, der mit der Rentabilität seines starken
 
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