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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1901)
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Strenge Kritik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0149

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8trenge liritik,

Weihnachten naht heran, und so stehen wir wieder mitten in der
großcn Reklameschlacht des Buchhandels. Was Frühling, Sommer und
Herbst hindurch all die Fcdern geschricben, die Hände gesetzt und die
Maschinen gcdruckt habcn, das soll nun verkaust wcrden, dcnn bekanntlich
kauft der Deutsche ein Buch, sein Buch mcistens zu Weihnachtcn, uin's
zu vcrschenken. Svmit beginnt jetzt plötzlich die Saison dcr Literatur-
freundlichkcit. Die Sortimcntcr richten dic Schaufenster alle Wochen
neu ein, die Beilagen der Tagesblätter bringen Annoncen über Annoncen
und Prospekte über Prospckte, welche Büchcr betreffcn, Weihnachtskataloge
mit Umschlügen, dic auss Gcmüt, und mit cincm Jnhalt, der auf den
Geldbeutel zielt, wcrden masscnwcisc vcrtcilt, und die Feuillctons wimmcln
von Bcsprcchnngen über Bücher. Es ist höchst crfreulich, diesc Be-
sprechungen zu lescn, dcnn aus ihncn ist zu crschen, daß gute, gedicgene,
ja wahrhaft mcisterhaste und hinreißende Bücher jeden Tag in jedcr
Wochc gcdichtet merdcn müsscn, so reichlich gibt's da zu loben. Nur
wer wciß, daß solche Htzinncn zu fünfundncunzigen vom hundcrt „verlcger-
seitig" druckfertig nntgeliefertes Waschzettellob cnthalten, nur der glaubt
trot; ihrcr Evangclicn noch nicht ohne weiteres an ein goldenes Zeit-
altcr dcutscher Dichtung.

Abcr wir wollen heutc nicht wiedcr von dem alten ehrlichen
Waschzettel sprcchen. Wic vicl Papicr haben wir schon übcr ihn ver-
schrieben, seitdcm wir seincn Spuren mit dcr crsten Entdeckerfreude bis
in den „Deutschen Reichs- und Preußischcn Staatsanzciger" hinauf
gefolgt sind! Und wir bekämpftcn ihn doch nicht cinmal überall, sondern
nur da, wo er sich als Meinung cines Unpartciischen aufschwindeln wollte
— was er dcnn freilich treuherzig und drcist bei weitcm in dcn meisten
Fällen that. Lassen wir ihn für hcute in Fricdcn, sprechen wir auch
nicht von dcn andern Künstcn, durch die man im Iournalistengcwerbe
beim Nczcnsicrcn nnt bewußter Absicht aus dcn T die U macht. Er-
innern wir heute viclmchr an einigc Gcfahrcn, die gcrade der an-
Unnstwart 2. Uovembcrbeft tyo;
 
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