Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1901)
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Neuere Kompositionen für Männerchor
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0155

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I^euere Koniposilicmen für ^fännerckor.

Wir müssen in der Entivicklung aller Künste manches mit in Kauf nehmen,
was uns überflüssig. ja hindcrlich erscheint, ohne dah wir's aus dem Weg
räumen könntcir Wir müssen mit bcstimmtcn äußeren Einflüssen rechnen, dercn
verderbliche Wirkung zwar crkannt, aber höchstens gemildert, nie ganz aus dcr
Welt geschafst werdcn kann. Auch in der Kunst herrscht das Unzulängliche
alles Menschlichen. Es wird immer neue Kadelburg, Thumann und Neßler
geben, statt dcr Sicges-Alleen findet sich bald ein andrer Kunstsport, statt dos
Gcigers mit dem Terzcntriller betet man die Diva mit dem hohen üs an. Wir
können dann und wann auf den schreicndcn Widerspruch hinweisen, der bei all
diesen Dingen zwischen dcm minimalen Kunstwert und dem Aufwande von
Geld, Zeit, Schwärmerci und Gcschmacksverirrung besteht, können, wenn dcr
alte Schwindel durch einen neuen abgelöst wird, ihm die Maske wegzichn, abcr
ihn zu Falle zu bringen — das müsscn wir der nächsten Mode überlassen. Und
hat Fafner dann Fasolt crschlagen, so können wir auch nur mit Loge lachen
und dcm neueii Drachen seine Neidhöhlc recht wcit von der Welt wünschcn;
einen Siegsried gibt's hier nicht.

Auch nicht gcgen das Unticr des „Männergesangs^, nicht wie er sein
künntc, sondern wie er thatsächlich i st. Das wohnt nun einmal überall zwischen
dcn Hüttcn licbender Menschcn und wird nicht sterben. Es hat zu gute Freunde:
Liebe, Bier und Tabak.

Der Laie macht sich keinen Bcgriff, wie viel Männergesangvercine es in
Deutschland gibt, welche Unmcngen ncucr Musik jährlich für sie geschriebcn und
gedruckt wird und auf wclch' tiefer geistiger Ebene sich dieses Lebcn abspielt.
Und doch müssen dic Triebfedcrn, dic blasse Jünglinge, alte Junggesellcn und
kompakte Ehemänncr zusammenführcn zur Schwärmcrei von Wald und Früh-
lingsduft, vom rosigen Liebchen und seinen Küssen, cine Macht sein, die ernst zu
nehmcn ist. Wenigstcns meincn das vielc und redcn von dcn Bedürfnissen des
deutschen Herzens und Gemüts. Seicn wir darin nicht zu lcichtgläubig. Bier
und Tabak, die keincn rcgcren Gcist fordernde Gcselligkeit eines großen Teils
dieser Körpcrschaften, die Unfähigkeit zu ernsteren und größcren Dingen: das
sind die Hauptstühen unter vicr Männergcsangvereinen von dreien. Wo die
Beschränkung auf Männergesang nicht, wic bei studentischen Korporationcn,
äußere Notwcnigkcit ist, ist sie durchaus verwerflich.

Der übliche Männergesang ist cine Spezialilät, deren enge Schranken
einer frcicn Kunstentfaltung hinderlich sind und dcren üble Beglciterschcinungen
wirkliches Kunstinteressc in starkcm Maße untcrdrückcn. Dcshalb bedauern
wir's, daß ihm durch die Förderung von obcn her neues Modc-Jnteresse ver-
schafft worden ist. Dcn Münnerchüren übcrhaupt Taseinsberechtigung abznsprechcn,
liegt uns selbstverständlich durchaus sern, daß aber ihre Beliebthcit mit der För-
dcrung, wclche die 5k u n st von ihncn zu erwartcn hat, in grellstcr Disharmonie stcht,
daS wird wohl kciner lcugncn, der hier die Vcrhältnisse kennt. Darum wäre
dringcnd zu wünschen, daß sich unscre singende Männerwelt von dieser Ein-
seitigkcit frei machte und der großcn Kunst, die sic in den gcmischten Chören
mit pflegen darf, mehr Jnteressc zuwendcte, und daß die llririk, wcnn die Tage
vvn Kasscl wicderkommen solltcn, derartige Inszenicrungen mit Stillschwcigen
übcrginge oder wenigstens ihre geringe künstlerische Bcdeurung genügcnd betonte.

Bishcr ist nur ein Mittel mit Erfolg versucht worden, um dem Männer-
gcsang cine etwaS würdigere Stellung zu gebcn. Nach ciner Pcriodc schr argen

2. dlovembcrbeft zyoz

rrs
 
Annotationen