DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1901)
DOI Artikel:Avenarius, Ferdinand: Überschätzen wir den Gehalt?
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0293
AebersckätLen vvir clen Gebalt?
Zuck eine MeiknLcktsberracktung.
Dürfcn ivir von ciner alten Gewohnheit des Kunstwarts auch
heuer Gebrauch machcn, so bittcn wir dic Leser zum Weihnachtsfest um
Gehör in ciner besondcrs schwierigen Sache. Müssen wir in diesem
und dem so urteilcn, wie wir's thun? Tarüber wollen wir uns ver-
antwortcn, und so ladcn wir die Lcser glcichsam über uns zum Gericht.
Jn solchen notpeinlichcn Dingen hilft's abcr nichts, man mus; den Zeugen-
aussagen auch auf übcl gangbaren Wcgcn folgcn. Schlicßlich verlohnt
sich die Mühe doch.
Vor kurzem sprachen zwci kunstbeflissene Leute miteinander über
die „Mcisterbilder". Mit einer Thatsache konntc sich einer davon gar
nicht besrcunden, damit, daß auch Kupferstiche und Nadierungen in Auto-
tppie wicdergegebcn waren. Unsre Leser wisscn wohl, und wenn sie's
nicht wissen, so können sie's bci recht scharfem Bcsehen auch an unseren
heutigen Bcilagcn erkcnnen: das autotypische Vcrfahren muß sich cines
scincn Netzwcrks, cincs Rasters bcdienen, und dieses Netzwerk, so wenig
sich's bemerklich macht, vermindert doch bei der Wiedergabe von Strichen
um cin Geringes die Schärsc des Linienzugs, verschleiert also z. B. bei
Kupferstichcn ein wenig die Technik. Schön, aber bei den „Mcister-
bildcrn" handclt sich's der Sachlage nach darum, sie entweder so wieder-
zugcben oder gar nicht. Das brachtc in jencm Gespräch der „Andre"
zur Geltung. Der „Einc" aber cntgegnete: »Dann sollten die Meister-
bildcr übcrhaupt keinc Stiche bringen'. .Sie meinen: Dürers
Hieromimus, Rittcr, Tod und Tcufel und Mclancholic, Rembrandts
Hundertguldcnblatt u. s. w. sollten bcsser gar nicht ins Volk kommen,
als in nicht ganz vollkommencr Verviclfältigung?" »Gcwiß, lieber gar
nicht, als in vcrschlcicrter Tcchnik!" Tcr Mann, der so sprach, war ein
verdienstreicher deutscher Muscumsdircktor.
Der „Laie", dcr »Nichtkunstverständige' wird Aeußerungen wic
die scinen zunächst ja nun kaum vcrstehcn könncn. ,Was soll das
Kunstwart 2. Dezcmberheft ^90;
Zuck eine MeiknLcktsberracktung.
Dürfcn ivir von ciner alten Gewohnheit des Kunstwarts auch
heuer Gebrauch machcn, so bittcn wir dic Leser zum Weihnachtsfest um
Gehör in ciner besondcrs schwierigen Sache. Müssen wir in diesem
und dem so urteilcn, wie wir's thun? Tarüber wollen wir uns ver-
antwortcn, und so ladcn wir die Lcser glcichsam über uns zum Gericht.
Jn solchen notpeinlichcn Dingen hilft's abcr nichts, man mus; den Zeugen-
aussagen auch auf übcl gangbaren Wcgcn folgcn. Schlicßlich verlohnt
sich die Mühe doch.
Vor kurzem sprachen zwci kunstbeflissene Leute miteinander über
die „Mcisterbilder". Mit einer Thatsache konntc sich einer davon gar
nicht besrcunden, damit, daß auch Kupferstiche und Nadierungen in Auto-
tppie wicdergegebcn waren. Unsre Leser wisscn wohl, und wenn sie's
nicht wissen, so können sie's bci recht scharfem Bcsehen auch an unseren
heutigen Bcilagcn erkcnnen: das autotypische Vcrfahren muß sich cines
scincn Netzwcrks, cincs Rasters bcdienen, und dieses Netzwerk, so wenig
sich's bemerklich macht, vermindert doch bei der Wiedergabe von Strichen
um cin Geringes die Schärsc des Linienzugs, verschleiert also z. B. bei
Kupferstichcn ein wenig die Technik. Schön, aber bei den „Mcister-
bildcrn" handclt sich's der Sachlage nach darum, sie entweder so wieder-
zugcben oder gar nicht. Das brachtc in jencm Gespräch der „Andre"
zur Geltung. Der „Einc" aber cntgegnete: »Dann sollten die Meister-
bildcr übcrhaupt keinc Stiche bringen'. .Sie meinen: Dürers
Hieromimus, Rittcr, Tod und Tcufel und Mclancholic, Rembrandts
Hundertguldcnblatt u. s. w. sollten bcsser gar nicht ins Volk kommen,
als in nicht ganz vollkommencr Verviclfältigung?" »Gcwiß, lieber gar
nicht, als in vcrschlcicrter Tcchnik!" Tcr Mann, der so sprach, war ein
verdienstreicher deutscher Muscumsdircktor.
Der „Laie", dcr »Nichtkunstverständige' wird Aeußerungen wic
die scinen zunächst ja nun kaum vcrstehcn könncn. ,Was soll das
Kunstwart 2. Dezcmberheft ^90;