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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1902)
DOI Artikel:
Bruiningk, M. C.: Volksbücherhallen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0400

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VolksbückerkaUen.

Jn dec grotzen Mehrzahl sind bei uns noch immer die Volks-
büchereien durchaus nicht auf der Höhe, auf der wir sie sehen möchten,
sie halten meist ihr Ziel für erreicht, wenn sie einige hundert oder
tausend Bücher, deren Auswahl dem Bedarf der Schuljugend angepatzt
wird, aufgestellt haben und den Umtausch wöchentlich ein paar Mal
gestatten. Sie werden meist von einem Volksschullehrer verwaltet, dem
einige Schüler zur Seite stehen. Das ist die typische Volksbibliothek,
wie wir sie sogar in grotzen und reichen Städten finden.

Fragt man, warum nicht etwas mehr Bewegung in das Unter-
nehmen kommt, so erhält man die Antivort: es fehlt die Ztachfrage
nach mehr und nach etwas Anderm. Berlin, Jena und Hamburg, die
wohl als erste in Deutschland Bücherhallen in grvtzem Stil eröffnet
haben, können dagegen mit ihrer Statistik nachweisen, datz die Zahl der
Leser mit der Zahl der Bücher und deren besserer Auswahl stetig wächst.
Jn Berlin gibt es heute 28 städtische Volksbüchereien, die sich eines sehr
regen Besuchs erfreuen. Autzerdem zählt die erste Lesehalle der deutschen
Gesellschaft sür ethische Kultur im Durchschnitt 283 Besucher täglich, und
eine ebenfalls sehr starke Benutzung wird der sozialdemokratischen Volks-
bibliothek zu Teil, die aus den Mitteln eines einzigen Mannes gegründet
worden ist.

Eine Volksbibliothek mutz suchen, ihre Literatur auf jcdes Fach und
jede Richtung zu erstrecken. Nur dann wird jeder Bildungsdurstige,
welcher Gesellschastsklasse er auch angehören mvge, ihn Befriedigendes
sinden. Sie mutz ferner täglich und zu verschiedenen Tageszeiten ge-
öffnet sein. Nur dann wird jeder, und sei seine Zeit noch so knapp
bemessen, die Bücherei recht ausnutzen künnen.

Ein grotzer Fehler liegt oft in der falsch angebrachten Sparsamkeit
bei der Anstellung der Verwalter. Jn grötzeren Städten sollte der Volks-
bibliothekar nie einen „Hauptberus" haben, der den gröheren Teil seiner
Arbeitskraft in Anspruch nimmt, so datz er den Bibliotheksdienst nur
„nebenhcr" verrichten kann. Auf dem Dorf, wo der Lehrer in seiner
Wohnung im Schulhause meist angetroffen werden kann, zudem seine
Leser persönlich kennt und wo auch weder viel Zeit noch Mtthe nötig
ist, um die Bücher in Ordnung zu halten, ist die Anstellung des Lehrers
als Volksbibliothekar gewitz am Platze. Jn grötzeren Städten dagegen
haben die Lehrer mcist nur in den Abendstunden Zeit, wohnen selten
am Orte der Büchcrei und wollen natürlich auch nicht einen jeden Abend
diesem Nebenberufe opfern. Dah ein Lehrer, der seine angestrengte
Tagesarbeit schon hinter sich hat, noch viel Arbeitskraft in die Bibliothek
mitbringen kann, dürfte auch oft bezweifelt werden, bei wie vielen auch
Lust und Liebe zum Dinge die Schwierigkeiten bekämpfen mögen. Oft
wird der Lehrer notgedrungen das Ausleihen von Schülern besorgen
lassen, seine Statistik und seine Katalogarbeiten führen und sich nicht
sonderlich um die Leser bekümmern können, dadurch wird aber die Volks-
bibliothek zur einfachen Leihbibliothek, ihr erzieherischer Wert geht ver-
loren. Soll sie den bewahren, so ist's eine Hauptbedingung, datz der
Bibliothekar sich ganz seiner Arbeit daran als seinem eigentlichen Berufe
hingeben könne. Jm grotzen Publikum freilich gilt hcute noch die Auf-

Kunstwart

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