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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1902)
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Bartels, Adolf: Wilhelm Hertz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0495

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Milkelm Hertr.

Von dcm jüngst vcrstorbenen Wilhelm Hertz kann man mit Be-
stimmtheit sagen, daß er eine dichterische Zukunfr haben wird, nachdem
er, wie so manche dcr feincren Naturen unter unsren Dichtern, einc
Gegenwart kaum gehabt hat. Natürlich, die Besten habcn ihn gckannt,
schon Hebbel hat in scinen Literaturbricfen auf seine sLös) erschiencnen
Gcdichte hingewicsen: „Untcr einer Menge neuer Sammlungen, über die
wir absolut garnichts zu sagen haben, da wir keinc Naturgeschichte des
Dilcttantismus schrcibcn, sticht diese vorteilhast hervor, und zwar durch
cine gesundc Sinnlichkcit, dic frcilich noch oft über die Schranken der
Schönhcit hinausgeht, die sie abcr noch öfter cinhält und es dann zu
anmutig beseelten Bildcrn bringt. Ter junge Dichter ist allerdings nicht
selten für das Verkehrte bcgcistert, abcr seine Begcistcrung selbst ist echt,
und besonders hoch rechncn wir es ihm an, datz seine Flamme rein
und hell lodert und sich nicht in dcn traurigen Katachrescnrauch ver-
licrt, der die plastischen Linien verhüllt, ohne Farben dafür zu geben:
kaum einmal in der sonst vortrefflich durchgeführtcn Erzählung «Schafara»
»schivankt das Schifflcin seincs Lebens aus den Gliedcrwcllen seiner Ge-
licbten.«" Wir wollen uns dcn Ausdruck „gesunde Sinnlichkeit" aus dieser
Hebbelschen Kritik gleich merken; denn er trifft das Wesentliche. Selbst-
verständlich hat auch Adolf Stern, doch im ganzen immer der getreue
Eckart wahrer Poesie, in seinen literatur-historischen Werkcn Hertz die
ihm gebührcnde Stellung gegeben, und hier im Kunstwart ist von An-
beginn an das Lob des ^Bruders Rausch' gesungeu worden. Es wäre
ungerecht, wenn wir verschweigen wollten, datz auch die germanistische
Nichtung in der deutschen Literaturgcschichtsschreibung etwas für Hertz
übrig gehabt hat: Er war nun doch einmal der Zongeniale" Uebersetzer
von Gottfricds „Tristan und Jsolde" und Wolframs „Parcival", sowie
der glückliche Schöpfer eines französischen Spielmannsbuches. Auf das
ihm von dieser Seite her gespendete Lob, datz er ein „Grieche" wie
Goethc und Mörike (soll heitzen, datz er „unglüubig^) gewesen sei, wird
er aber wohl nicht sonderlich stolz gewesen sein — war er ein Heide,
so war er jedensalls cin germanisch-mittelalterlicher, etwa wie Gottfried
von Stratzburg; das Gricchentum ist so wenig bei ihm zu entdccken wie
bci Richard Wagner.

Und mit Richard Wagner müsscn wir ihn übcrhaupt zunächst zu-
sammcn haltcn, wcnn wir sciner bcsondcren Art nahc kommen und
seinc literarischc Stellung gcnauer bestimmen wollcn. Ja, Hcrtz gehört
angcblich zur Schule dcr Münchner, cr hat an ihren Symposien teil-
genommen, scine Lyrik ist autzer von Heine (ganz zu Anfang) auch von
Gcibel bceinflutzt, übcrhaupt hat cr die Richtung auf die formale Schön-
heit, die das Charaktcristikum der Münchner bildct. Nur hat das alles
mit scinem Wesen ganz und gar nichts zu thuu: Sind die Münchner
Neuklassizistcn, so ist Hcrtz Ncuromantiker. und das auch nicht ctwa in dcm
Sinne wie Oskar von Rcdwitz oder Wolfgang Müller von Königsminter,
sondcrn in dcm, datz seine Tichtung unmittclbar von dcr mittelaltcrlichen
Dichtung ausgcht, dicse dcm moderncn Lebcn gcwinnt. Das hattc
Uhland vcrsucht, von dcm dcr Schwabe Hcrtz denn auch .abstammtc^,
aber cine schlichte und volkstümliche Nalur, wie cr war, doch nur im

2. Fcbruarheft 1902
 
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