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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1902)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Vom Schulmeistern
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0603

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Voni Kckulmeistern.

Will Eincm beim heutigen Literatentreiben der Mut entfallcn, so
meiß ich ihm, wenn er cin älterer Herr ist, einen vortrefflichen Rat: er
erinnere sich an die Zeit nach dem Kriege. Das lesende Deutschland
erkannte damals neben Dumas, Augier und Sardou von noch schcinen-
den Sonnen und Sünnchen nur Hegse und Spielhagen an, soweit man
in gebildetcn Salons, und die Marlitt und die Bürstenbinder, sowcit
man unter Gartenlauben saß. Als Literaturweiser für die strengeren
Lcute galt Gottschall, der an Nachskandicren des Nachskandierers Platen
dichterische Erhabenheit aufzeigtc, als Lilcraturweiser für die freieren Köpfe
Lindau, der auf jedcs Boulevardstück hineinfiel, Seiten und Seiten sciner
„Gegenwart" zu den billigsten der Späße opferte, irgend cinen Dilet-
tanten zu verspotten, und ohne cine Ahnung vom Werdenden mit seinen
Scherzen Bapreuth besprcngte. Wie aber sah's erst in dcn Zeitungs-
feuillctons aus! Eine Sachc, so schicn's, gab es da für Mitarbeiter und
Nedakteure überhaupt kaum mchr, es gab nur Vorwände, sogenannten
„Geist" zu zcigen: ein Grimassenschneiden, Spiegelfechten, Schautanzcn,
Voltigiercn und Kopfstehen dessen, was der betreffende Feuillctons-
Plauderer unter seiner Persönlichkeit verstand. Und unser Volk ging mit.
Unser Volk wußt' es nicht besser, unser Volk klatschte zu — klatschte,
während Keller, Hebbel, Ludwig, Mörike, Raabe, Groth noch lcbten
oder nicht lange gestorbcn waren, ohne daß von Hundcrten einer darum
wußte! Wie in der Literatur war's überall, war's in der Musik, war's
in sämtlichen bildenden und angewandten Künsten: auf das Schillern
der Oberfläche kain's an, selten drang man nur um eines Tropfens
Breitc in die Tiefe.

Wenn wir also keine Lobredner der Gegenwart sind, Lobredner
dieser jungen Vergangenheit sind wir noch minder. Ueberall in unsrer
deutschcn Kultur licgt der Bruch dort, wo sie Sachlichkeit und Unsach-
lichkeit zu vermischen bcgann. Wir haben's im letzten Vierteljahrhundert
nicht herrlich wcit, aber cin Stück weiter haben wir's gebracht. Selbst

Annstwart

2. Märzheft ^902

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