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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1905)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Vom Kunst-Studium
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0086

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Vom Aunst-Ttuäium

Es ist wieder Ostern, manches Tausend von jungen Deutschen
zieht wieder von den Schulen zur Universität. Seit die „ästhetische
Bewegung" so kräftig geworden ist und der Kunstwart auch von den
Jungen so viel gelesen wird, bekomme ich hänfig die Bitte um Rat:
„wie studier ich am besten Kunstwissenschaft?" Brieflich kann ich auf
solche Fragen schon deshalb nicht antworten, weil Ratschläge ohne
Begründung schlechter sind als keine, Ratschläge mit Begründnng aber
viel mehr Zeit verlangen, als ich auch beim allerbesten Willen meinen
Arbeiten für's Briefdiktieren absparen könnte. Möcht' ich heut über
den Gegenstand ein paar allgemeine Worte sagen, so hat auch das
mit manchem Vorbehalt zu geschehn. Kann sein, daß ich aus eignen
Erfahrungen allgemeinere Schlüsse ziehe, als zutreffen mögen. Jmmer-
hin unterstützen mich schon Erfahrungen nnd Beobachtungen anderer,
und was ich zu sagen habe, sollte wenigstens zur ösfentlichen Er-
örterung kommen. Auch sind diese Fragen nicht nur für die „Kunst-
studenten" interessant, obgleich es angebracht scheint, sie recht nüchtern
zu behandeln. Eigentlich gehen sie jeden von uns was an.

Früher konnte man das Studium unserer Kunstgelehrten im
wesentlichen etwa so aus ein Schema bringen: nach allgemeiner Vor-
bildung Geschichte, Kulturgeschichte, Sprachen, etwas Philosophie und
Aesthetik, dann bei weitem als Hauptsache: Kunstgeschichte, semina-
ristische Uebungen auf der Universität, Museumsbesuche und Uebungen
dabei, Reisen in die bevorzugten „Kunstländer". Daß da Wichtiges
fehlte, hat man seit Jahren ziemlich allgemein eingesehen, der „Kunst-
student" von heutzutag kümmert sich viel mehr als frühcr auch um
die Teckmik der Kunstwerke, um ihre handwerklichen Vorbedingungen.
Auch die Notwendigkeit von Uebungen im Zeichnen schon als Uebungen
im Sehen wird jetzt so ziemlich allgemein anerkannt. Jnsbesondere
Lichtwarks Bemühungen haben in all dem sehr segensreich auch auf
die jungen Kunstwissenschaftler gewirkt, gleichviel, ob Nissen mit seinen
Bemängelungen von Lichtwarks Tätigkeit auf anderem Gebiete im
Recht sein mag oder nicht. Bei solcher Arbeit berührt sich die Erziehung
der werdenden Kunstwissenschaftler mit der der Künstler.

Aber ich glaube doch, daß sehr wichtige Forderungen für die
Vorbildung eines berufsmäßigen Kunstwerkbeurteilers kaum noch er-
hoben worden sind. Sehr wichtige und sehr dringliche, wenn sein
Gebiet über die Grenzen von einer unter hundert Spezialwissen-
schaften zu der Bedeutung erweitert werden soll, welche die Erkennt-

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