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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 24 (2. Septemberheft 1905)
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Batka, Richard: Japanische Musik
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0702

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Organisation bei dem ganzen Menschengeschlechte im Grunde dieselbe
sei, er nimmt eine harmonische Anlage bei allen Völkern an, nur
äußere sie sich bei nns Abendländern vertikal, bei den Orientalen
mehr in der horizontalen Tonlinie. Daraus leitet er auch das Recht
ab, daß wir uns die einstimmige Melodie zu unserem bessern Ver-
ständnis harmonisch nach der Tiefe zu ergänzen. Hierin werden ihm
die Mnsiker gewiß nach innerstem Empfinden zustimmen. Denn sobald
es gelingt, japanische Tonstücke zu finden, die auch in uns die be-
absichtigten Gefühle zu erwecken vermögen, so ist der überzeugende
Beweis erbracht, daß mit den Japanern auch in der Musik eine Ver-
ständigung möglich ist. Ein solches Beispiel aber soll uns die Musik
darbieten, welche die Sterbeszene in dem Drama „Kesa" zu begleiten
pflegt. (Vgl. die Notenbeilage.) Wer sie am Klavier mit entsprechendem
Vortrag und ohne den Titel zu kennen hört, Pflegt, wie ich mich mehr-
mals bei Musikern von Fach überzeugt habe, aus „eine Art Chopin"
zu raten. So viel unmittelbare, suggestive Stimmung steckt darin.
Und daß ein solcher Vergleich der Kunstmusiken hüben und drüben
auch nur möglich ist, scheint mir bedeutsamer zu sein als die zum
Teil in der Primitivität begründete Aehnlichkeit mancher japanischen
Schulmelodien mit deutschen. Auch mit ihren Gipfeln berühren sich
die Künste beider Erdteile. Dieser Beweis zerstört die gelehrte Legende,
daß die europäische und exotische Musik zwei wesentlich verschiedene
Gewächse wären und nicht zwei Stämme aus einer gemeinsamen
Wurzel, die ihre nährende Kraft aus dem Mutterboden des allgemein-
menschlichen Empsindens saugt. „Alle Ohren sind Brüder."

Richard Batka

Iapan

Vorbemerkung. Seltsmn, wie wenig uns das Seelenleben der
ostasiatischen Völker vertraut ist. Merkwürdig auch, wie selten noch die
Versuche sind, es uns von dorther zu vermitteln, wo es sich am unmittel-
barsten kundgeben muß: von der Seite der Kunst her. Zwar die bildende
Kunst Japans ist uns bekannt genug, sie ist ja längst Mode, ist als Mode
schon mehr als einmal überwunden worden. Aber erklärt etwa sie uns
die mancherlei unvermuteten und selbst edeln Handlungen, die den Japanern
außer ihrer militärischen Tüchtigkeit nachgerühmt werden? Erklärt sie uns
die allgemeine Gemütsverfassung des Volkes? Keineswegs. An anderer
Stelle erörtert heute Batka die japanische Musik. Sehen wir zu, was uns
die japanische Literatur von dem drmkeln Jnnenleben der Ostasiaten zu
sagen hat.

Mit der Erzählung „Die Nonne im Tempel von Amida" leiten wir
unsre Proben ein. Jhr Verfasser ist der in Japan heimisch gewordene, kürz-
lich verstorbene Engländer Lascadio Hearn, ein dichterisch begabter
Schriftsteller von ungewöhnlich zartem Anempfindungsvermögen. Jn dieser
und ähnlichen kleinen Skizzen seines Buches „Kokoro" scheint wirklich die
fremde feine geistige Atmosphäre Japans zu weben. Vielleicht erzählen
die Japaner von sich selbst weniger stimmungsvoll, viel weniger kunstgemäß;
und namentlich weniger sentimental. Solange es aber an guten Ueber-

2. Septemberhest lZOö 62t
 
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