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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 13
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Hanstein, Adalbert von: Szenenwechsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0199

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A--

üöer alle Weöiele^eHs Kcbönen.

13. Stück.

Lrsckctnt

im ersten und drilten viertel

Derausgeber:

zferdinand RvenarLns.

Kesrellprets: !

vierteljährlich 21/z Mark. 3^1) 1*6«

Anzeigen: 3 gesp. Nonp.-Zeile 40 j)f. -—-

Lzeneirwecksel.

Lntwicklung des Dramas ist zu jeder Zeit
gewesen von dem Zustande der
ja, man mnßte für das Nächftliegende
jE^^E^keine Augen haben, wenn man nicht zuge-
stehen wollte, daß oft weit mehr das Schanspiel vom
Theater beeinstußt worden ist als umgekehrt. Diesen
Lrfahrungssatz sollte man besonders beherzigen bei
der Beurteilung moderner Leistungen auf dem Gebiete
der dramatischen Runst. vorzüge und Fehler neuerer
Bühnendichter haben nur allznoft ihre (IZuelle in den
rein szenischen Derhältnissen nnserer Nlusentempel.
Und was das Nlerkwürdigste ist: die Geschichte des
Dramas erweist, daß keineswegs hochentwickelte Bühnen-
verhältnisse der Dichtung heilsam gewesen sind.

Line schlichtere Bühne, als das einfache schmale
Brett, das sogenannte ToZeiou, anf dem die griechischen
Schauspieler die Tragödien des Aeschylus nnd Sopho-
kles darstellten, kann es nnmöglich geben. Aber ob-
gleich dieses Brett einen verschwindend kleinen Naum
einnahm im verhältnis zu dem mächtigen von amphi-
theatralisch aufgebauten Znschauerreihen umgebenen
Tanzplatz des Thores, so kann doch nur ein dem
wirklichen Leben Lntfremdeter die Nieinnng äußern,
daß in den sprachlich pomphaften melodiösen Thor-
gesängen die wesentliche Stärke des griechischen Dramas
liege; vielmehr hat die Stimme der Natur nie reiner
gesprochen, hat sich die Sprache der Leidenschaft nir-
gends gewaltsamer entfesselt, als in den Zwiegesprächen
zwischen dem heroisch leidenden fchiloktet und dem
edlen Neoptolemos oder als in den natnrwahren
Schmerzausbrüchen des Gedipus.

Die französische Bühne, welche Torneille vorfand,
hatte sich nicht nach diesem klassischen Nlufter ent-
wickelt. Aus der anfangs in drei übereinander lie-
gende Stockwerke, dann in drei nebeneinander liegende
Näume geteilten mittelalterlichen Mvsterienbühne, welche

Lsimmel, Trde und Lsölle zu gleicher Zeit versinnlichen
sollte, hatte man später nur noch die Lrde zurück-
behalten und baute auf dieser, als man der heiligen
Grte entraten konnte, nebeneinander Häuser, Bäume,
Berge und j^aläste auf. So standen auf dem gleich-
mäßigen Bretterboden der Bühne schon alle diejenigen
Ortlichkeiten n e b e n einander da, in welchen die eiu-
zelnen Szenen der reichhaltigen Handlung sich nach-
einander abspielten. Später zog man es vor, eineu
einzigen dieser Grte, etwa ein Zimmer, sich über den
ganzen Naum der Bühne ausdehnen zu lassen, und
nun war man nicht mehr im ^tande, die Szenerie zu
wechseln, da man ja seit den Zeiten des Nuttelalters
niemals ein verwandeln der Dekorationen gekauut
hatte. Zn diese zunächst einfachen, aber bald prächtig
ausgestatteten Dorrichtungen verlegte nun Torneille
nach dem großartigen Siege seines Lid die Über-
lieferungen griechischer Dichtkunft und erhob mißver-
ständlicher weise das verharren einer Dekoration
während des ganzen Stückes zu einem Dogma, vou
dem die alten Rlassiker nichts gewußt hatten. wan-
delt sich doch noch in den letzten ^zeuen des ^opho-
kleischen „Ajax" das Lager der Griechen in eine ein-
same Gegend am Nleeresstraud. Rannte doch die
griechische Bühue schon zu den Zeiten des Aeschylus
wahrscheinlich Rulissen von prismatischer Gestalt, die
uin ihre eigne Achse drehbar waren und nacheinan-
der drei verschiedene Szenerieen darftellen konnten.

Dennoch drang das von Torneille und später von
Nacine als immer heiliger angebetete Dogma von
der Linheit des Grtes auch nach Deutschlaud und
lagerte sich am Ausgang des (7. und in der ersten
Hälfte des (8. Zahrhunderts mit bleierner Schwere
über die Tntwickluug des Dramas, bis der frisch von
Tnglaud herüberwehende wiud die staubige weisheit
des Bücherdramas zerstreute.


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