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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 13 (1. Aprilheft 1907)
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Söhle, Karl: Die Werke und wir, [5]: Johannes Brahms in seiner Kammermusik
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Kasernen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0030

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Blumen und Blätter, und es duftet aus jedem Zweige. Nun horch,
Nachtigallentöne: das Lied von der „ewigen Liebe". Der große
Lyriker Brahms spricht in diesem Satze, sch-licht und wahrhaftig und
tief ins Herz greisend. Alle seine herrlichen Liebeslieder kommen
einem in den Sinn.

Aber im Scherzo: in Morgensrische erglänzt die Welt, hurra,
und es geht in den Krieg! Mit Siegeszuversicht! „Der Sturm bricht
los, das Volk steht aus!" Blitzende Wafsen, rasselnde Wagen, tra-
bende Rosse, wild ineinander alles verschlungen. Und niedergerungen
der Feind. Siegesjubel. Welches Kolorit, welche vielgestaltige Rhythmi?
in dieser hinreißenden Musik! Das gehört zum Köstlichsten von
Brahms überhaupt. Nnd so auch am Schlusse das große Rondo,
worin nach Äberwindung der sast drohend beginnenden Linleitung
mit ihrem mächtigen Pathos in stampsenden Sextolen-Akkorden der
wahre, echte Humor zum Durchbruch kommt, um die Welt wieder
ins Gleichgewicht zu setzen.

Alle Faktoren kommen in diesem Quintette zusammen, die einem
Tonwerke Leben und Wert geben sür alle Zeit.

Dresden Karl Söhle

Es gibt eine Gebäudegattung, bei deren Namen schon einen,
der die Augen zum Sehen hat, ein Gruseln überläust: „Kasernen"
— der Begriss ist ja sprichwörtlich geworden; man denke an Zu--
sammensetzungen wie „kasernenmäßig" und „Mietskasernen". Eine
Bezeichnung, mit der ein Verdammungsurteil gesprochen ist, gegen
das sich nicht appellieren läßt. Bei Kasernenbauten, meint der „aus--
schlaggebende Durchschnittsmensch", ist eine künstlerische Sestaltung nach
Lage der Dinge ausgeschlossen. Oder hat man ihr je das Wort ge-
redet? Bei Schulen hat man's nicht nur getan, man hat Schulen
auch schon so ausgeführt. Aber bei Kasernen! . . .

Ia, warum eigentlich nicht bei Kasernen?

In der Schule sind die Kinder nur eine verhältnismäßig kurze
Zeit des Tages- in der Kaserne ist die Blüte unserer deutschen Iugend
Tag und Nacht während der Dauer von einem Iahr oder von zweien,
bei der Kavallerie sogar von dreien. Von dem Heer von 'Unter-
ossizieren, deren Dienstzeit sich aus ein Iahrzehnt und länger er-
streckt, gar nicht zu reden. Sollte es so ganz gleichgültig sein, in
welcher Umgebung diese eindruckssähigsten Iahre, Lie bestimmend
werden für den künstigen Mann, verbracht werden? Ist es unbe-
dingt notwendig, daß eine Kasernenanlage einen sozusagen schon aus
tausend Schritt Entsernung angähnt? Rnd daß ganze Straßen, ganze
Stadtteile verschandelt und in ihrem Wert herabgedrückt werden durch
Kasernenbauten, wie sie heut gang und gäbe sind? Und ist das
für ein „Volk in Wassen" ein würdiger Zustand? Muß eine
Kaserne aussehen wie eine Strafanstalt, nur daß ihre Fenster wenig-
stens in den oberen Geschossen nicht vergittert sind? Sind nicht viele
unter den Eingetretenen, die nicht gezwungen, sondern freiwillig,
mit Begeisterung des Königs Rock angezogen haben? Warum muß

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