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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 15 (1. Maiheft 1907)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0211

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her gelegentlich des „Grafen von
Eharolais" in hundert Blättern er-
örtert worden, daß das Zurück-
halten von Leichen dereinst, dereinst
an wenigen, wenigen Orten von
barbarischen Gesetzen bis zur Be-
gleichung von Schulden erlaubt
worden sei. Ich habe mich sehr
getäuscht: die Hamburger Richter
haben angenommen, dem Hause
Woermann werde dieser Vorwurf
beleidigenderweise in allem Ernste
gemacht.

Und da sich das mit der Einsicht
so gebildeter Männer verträgt, so
werden sie leider ja wohl annehmen
dürfen, daß auch andre die dick
aufgetragene Satire für bittern
Ernst genommen haben. Möglich,
daß man sagen darf: »wer berufs-
mäßig in die Weite wirkt, soll
sich über sein Publikum klar sein,
also gebührt dem Gulbransson von
des äoIu8 eventuali8 wegen ein
Denkzettel". Aber für ein derartiges
Sichvergreifen im Ausdruck drei
Monate Gefängnis? Der
Glaube wird nicht leicht, daß hier
die Richter das Strafmaß mit all
der Kühle des Gehirns ermittelt
haben, die erwünscht war, und man

hofft auf die zweite Instanz. Schon,
damit sich nicht gar zu sonderbare
Widersprüche bei der Beurteilung
solcher Fälle zwischen Nord und
Süd im Vaterlande herausstellen.

Also der Simplizissimus soll
Woermann wirklich vorgeworfen
haben, er liefere Leichen toter Sol-
daten gleichsam erst gegen Porto-
nachnahme aus. Mir scheint, selbst
bei Lesern mit ganz besonderer Be-
gabung dafür, keine Satire zu ver-
stehn, ist ein so erstaunliches Miß-
verständnis nur durch einen beson-
deren Grund erklärlich. Und ich
glaube, dieser Grund ist auch nicht
schwer zu finden. Der Simplizissi-
mus versteht sich sonst gut darauf,
für phantastische Abertreibungen
auch phantastische Bilder zu
finden, diesmal aber war Anter-
schrift wie Illustration in ziemlich
realistischem Stil gehalten. Diese
Satire verlaugte also vom Beschauer
ein selbständiges Sichdurcharbeiten
durch Bild und Wort bis zum
innern Gehalte, während eine phan-
tastische Stilisierung dem Verständ-
nis sozusagen vorgearbeitet und den
Sinn auch des im Satirelesen An-
geübten „eingestellt" hätte. A

Llnsre Bilder und Noten

Frühling! Es ist schon schade, daß wir Millets unsagbar
herrliches Frühlingsbild den Lesern nur in dieser Verkleinerung zeigen
können, aber das brachten wir eben doch nicht zuweg, uns und den
Lesern das Bild deshalb ganz zu versagen, weil sich im Kunstwart-
formate von seiner Schönheit nur ein Ahnen geben läßt. Wer mehr
verlangt, muß zur Millet-Mappe greifen. Anser Werk ist ein Ge°
dicht auf den Frühling in allem Leben seines Bewegens, in aller
seiner wandelbaren Iugend, in allem Zauber seines „Aprilwetters".
Dunkle Wolken, aber die Vögel davor zwitschern schon wieder im gol-
digen Licht, denn wie der Schauer kam, so plötzlich geht er, und schon
glänzt die Sonne wieder über die Frühlingsblumensterne am nassen
Weg, über den Obstbaumblütensegen, über den Hang mit dem Wald auf
der Höhe, über den Wolkendunst droben. Eine Minute, und alles lacht.

Zu den beiden Bildern von Peter Philippi, den büffelnden
„Studenten" und die sittsam-gestrenge „Tante Lotte" brauchten wir
eigentlich nur auf den Aufsatz über Philippi zu verweisen. Wenn nicht

s. Maiheft 1907

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