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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 16 (2.Maiheft 1907)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0258

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Literatur

bu, unser Landvolk könn' es nicht aushalten, das Regiment eines Mannes
von so hoher Abkunft!"

Gudmund lächelte und sagte: „Nun, warum sollten wir die Sache
nicht noch weiter in Erwägung ziehn?"

Darauf schickte man zu Sörli, und er kam zur Verhandlung und
erhielt die Thordis zur Frau. Sie bekamen zwei Söhne, Einar und
Broddi, das waren beides ausgezeichnete Männer.

Diese Geschichte zeigt, daß sich Gudmund gern loben hörte. Der
andere aber ging weislich vor und traf den rechten Fleck bei Gudmund.

^ Zum Thema „Lesen"

Ein Spaßvogel, Hermann Losch,
hat kürzlich in den „Süddeutschen
Monatsheften" herausgerechnet, daß
unser literarhistorisches Zeitalter
uns vom dreizehnten bis zum vier-
zigsten Lebensjahre 9l9^ Lese-Ar-
beitstage zumute, den Tag zu sechs
Lesestunden gerechnet. Nach Loschs
Rechnung hat aber der Zeitgenosse
— notabene der, der sonst nicht
mehr viel auf der Welt zu tun
hat — nur 9000 solcher Arbeits-
tage. So daß er also mit vierzig
Iahren vor einem Defizit von
Tagen säße und eigentlich seinen
„Bildungsbankrott" erklären müßte.
Um so mehr, als die Bildungsarbeit
für die großen Musiker und Maler
noch gar nicht mit veranschlagt ist!
Losch tröstet sich dann: das ganze
Zeitalter steht vor demselben De-
fizit und tut nur so, als ob es
gebildet wäre.

Ans scheint dieser Scherz mehr
als ein Scherz, uns scheint die
kleine Ausrechnung und ihr Er-
gebnis sehr ernsthaft interessant.

Ne«e Werderomane

Sophie Hoechstetter, „Der
Pfeifer". (Berlin, F.Fortane L Lo.)
Anna Schieber, „Alle guten
Geister..." (Heilbronn, E. Salzer.)
Charlotte Knoeckel, „Kinder
der Gasse". (Berlin, S. Fischer.)
Ferdinande Freiin v. Brackel,
„Die Enterbten". (Köln, I. P.
Bachem.)

An Entwicklungsgeschichten von
der Kindheit an, in der Regel aus
ländlicher oder bürgerlicher Amwelt
oder niederer gesellschastlicher Schicht
heraus, ist kein Mangel. Mit
dem Kausalbedürfnis, dem Gewor-
denen ins Werden hinein nachzu-
gehn, verbindet sich oft das Sehnen
nach „neuen Zielen". Soziales und
Pädagogisch-Psychologisches spielt
herein. And mit diesem Erstreben
eines letzten philosophischen Zieles
hängt es zusammen, daß in diesen
Werderomanen das Ende oft ein
Scheitern oder statt dessen ein Ent-
sagen und Zuruhekommen im Enge-
ren ist, denn das Ziel ist hoch und
nur unklar schwebt es vor als „das
Wunderbare". Und wie den Gegen-
satz des Alten, das man nicht will
und vielleicht noch nicht einmal
genau kennt, und des Neuen, das
man nur ersehnt, auf eine einfache
und umfassende Formel bringen,
wie Goethe es im Faust tut? Unsere
heutigen Werderomane sind deshalb
alle nur Ansätze, Bruchstücke, und
wo ein richtiger Dichter wie Strauß,
Huch, Hesse, einen solchen Stoff
aufgriff, da schuf er wohl ein
Lüchtiges Stück Leben, aber keine
Lebenslösung.

Sophie Hoechstetter gibt in
ihrem „Pfeifer" die Entwicklung
eines Iungen mit dem Ziel, das
Verhältnis von Mann und Weib,
hier eines Malers und einer
Schriftstellerin, in höherer Auf»

2^0

Kunstwart XX, (6 ^
 
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