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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1907)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Die Werke und wir: der König in Thule
DOI Artikel:
Lamprecht, K.: Beethoven, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0296

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Die Stärke des Gefühls hat Goethes Phantasie zu einer Vision
von vollkommener Klarheit befähigt. Der Genießende wird hier
nicht, wie in einigen unsrer herrlichsten Gedichte rein lyrischer Art,
zum Genossen gemacht auch des Suchens, auch des Einsinkens
selber in die Gefühlstiesen, sondern sie breiten sich vor ihm mit
der schlichtesten Selbstverständlichkeit eines Berichtes aus, dessen
vollendete Kunst erst die nachträgliche Betrachtung erkennt. „Es war
ein König in Thule" — so einsach der Anfang ist, so einfach ist
der Fortgang dieses Berichts. Nicht die geringste Schilderung von
Ortlichkeit oder Person. Keine einzige Rede eines Handelnden. Kein
einziger Ausruf dessen, der berichtet. Keine Spur jenes Lärmens
gar, das so oft die Balladenstimmung bringen soll. Kein einziges
Mal auch nur der Äbergang aus der Vergangenheits- in die Gegen^-
wartsform. Äußerlich Ruhe über allem — es war einmal, es ist
ja alles so lange, lange her! Aber innerlich ein Aufbauen von
Leben aus Leben. Richt nur in der Handlung, sondern auch in der
Sprache, die sich ununterbrochen steigert, wie die innere Beteiligung
des Dichters wächst, und dadurch den Hörer immer innerlicher be-
teiligt. An einer einzigen Stelle ein Kunstmittel ungewöhnlicher
Art, dort, wo aus hem „Er saß" das „dort stand« wird. Ls zwingt
mit seinem Aberspringen einer Rnwesentlichkeit, des Aufstehens und
Hervortretens, das Gefühl des Hörers mit Meistersicherheit, auf-
zumerken: jetzt kommt die Höhe. Run ist aus dem Weine die „Lebens-
glut", nun ist aus dem „goldnen" der „heil'ge" Becher geworden, —
und nun wirst ihn der König in die Flut. Auf dem Höhepunkt mag
jetzt unser Gefühl in Ruhe verweilen, eine halbe Strophe lang er-
fährt es nichts Neues, eine halbe Strophe lang mag es nur schauen:
wie der Becher stürzt, wie er „trinkt" und versinkt. Auch was die
letzten zwei Verse sagen, wußte ja unser Ahnen schon. Es sind
nur noch Ringe, wie sie das Meer über den Tiefen dorther aus-
wogen läßt, wo das Besondere geschah. A

BeeLhoven

(Schluß)

Hat nun Beethoven, bei dieser entschiedenen Ausstattung seines
Inneren, die ihn erhob und auf ihm lastete als sein Schicksal, eine
starke innere Entwicklung erlebt? In gewissem Sinne kann man
die Frage verneinen. Schon seine frühesten Werke, die des so-
genannten Iugendstils, Klaviersonaten, Violinsonaten, Quartette,
zeigen vernehmlich sx nnZns Isonsm; und insbesondere die Klavier-
sonaten zeigen bereits die orchestrale Behandlung des Instrumentes,
die musikalische Mitteilung gleichsam wie aus einem Urgrund von
Melodienreichtum, die deklamatorische Eigenart, und die schweren
Akzente wie die Nervosität des Lmpfindens. Am deutlichsten aber
ergeben vielleicht die nicht allzu zahlreichew Lieder des Meisters das
sich ständig gleichbleibende Llement seines Grundempfindens. Zwar
nicht in positiver Weise. Beethoven war selbst ein viel zu großer
Dichter, als daß er sich oft und gern an fremde Stosfe ausgeliefert

(. Iuniheft G07 2qs
 
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