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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 17 (1. Juniheft 1907)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0340

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schreckendes Beispiel übers Reich
leuchte.

Die Großstädte müssen erst noch
gehörige Portionen des Reklame--
gifts schlucken, bis eine höchst natür--
liche Reaktion sie erleichtert. Wir
müssen amerikanischer als die Ame--
rikaner sein, müssen die Lngländer
überengländern bis zum Erbrechen.
Lin bißchen sehr radikal, ich geb
es zu. Aber dann, wenn auch
das wütendste Aufreizen und An--
brüllen des armen Städters keine
Wimper mehr zucken macht, dann
kehren die Findigen vielleicht zur
Ruhe zurück, befragen den Ge-
schmack, befragen die Schönheit, die
Kunst nm Rat und werden, viel»
leicht» auf eine Weile zahm und
fast vernünftig. Wer Augen hat
zu sehen, der sieht solche Vernunft
in der Reklame schon heute unhör-
bar und von allen beachtet an der
Straße stehen, der ahnt in dem
Wunderbau Messels für Wertheim
die allerschönste Straßenreklame der
Zukunft. E K

1 V.j Die etikettierte Höllentalklamm

Der deutsche und österreichische
Alpenverein hat die großartig wilde
Höllentalklamm bei Partenkirchen
mit ihrem Aberreichtum an Wasser-
strudeln und -stürzen mittels Tun-
nelsprengungen und Bohrungen
durch die Felswände zugänglich ge-
macht. Aber nicht genug damit, er
hat dem „Siege des Geistes über
die Natur" dadurch zu einem noch
größeren Triumphe verholfen, daß
er alles Sehenswürdige oder auch:
alles schlechtweg Benennbare in der
gewaltigen Wildnis mit Etiketten

auf saubern Holztäfelchen versah.
Vor und hinter jedem Tunnel, deren
es über ein Dutzend gibt, prangen
die Plakate „Tunnel I, II, III"
u. s. f., auf daß jeder, der von vorn
oder von rückwärts durch die Klamm
sich bewegt, allezeit wisse, durch
welche „Nummer" der Felsenöde er
wandelt. Ia noch mehr, die einzel-
nen Wasserstürze werden registriert,
„obere Felsenkammer", „untere Fel-
senkammer" lesen wir's an den Wän-
den wie in einem Mnseum, „Anter-
stand" heißt's unter dem überhän-
genden Gestein, „Bogenbrücke" ver-
sichert die Tafel vor dem gewölb-
ten Steg, und da, wo aus steiler
tzöhe der mächtigste Wasserfall zer-
stäubend von Wand zu Wand
sprüht, auch vavor klebt die unver-
meidliche Tafel mit einem markier-
ten Pfeile dazn: „Großer Wasser-
fall". Nun müssen's die Blinden
selber sehn, sollte man meinen! Hat
es nicht etwas Beruhigendes in-
mitten der Schrecknisse der wilden
Natur, diesen Geist mitteilsamer
Ordnungsliebe zu gewahren, der
einen unter den „Elementen" noch
an Käfer- und Schmetterlingssamm-
lungen erinnert und einen jeden
braven Bürger, den ungebärdige
Toren Philister heißen, freundlich
beruhigt: „Hier bist du trotz allen
Höllentales doch immer unter den
deinen?"

Im Ernst: mußte der Alpen-
verein sein großes Verdienst um
die Erschließung solcher Schönhei-
ten mit dem Geiste dieser Nüchtern-
heit beflecken, der in lächerlicher
und aufdringlicher Weise zu „be-
lehren" sucht, wo die Natur predigt?

Ansre Vilder undNoten

And nun wären wir im vollen Blühen. Wie Sieck den Festtag
des Blütenbaumes besungen hat, singt Emil Anner uns nun das
hohe Iubellied der Blütenwiese, die bis zu den fernen Bergen hin sich
dehnt und weitet, Stern an Stern, wie selbst der Himmel nur, wo

j. Iuniheft

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