Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1907)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Musik und Gymnastik
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0438

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ist. Das ist für uns Deutsche Außeukultur, und es wird vom Ein-
zelnen abhängen, ob er's als Außenkultur im guten oder im schlechten
Sinne auffassen wird. Wieviel von Dalcrozes System sich bei wei--
terer LLrprobung und ohne seine persönliche Lehrbegabung allgemein
bewähren wird, kann heute natürlich noch niemand mit Sicherheit
sagen. Aber jedenfalls bedeutet es eine wichtige Stufe in der Lnt--
wicklung des modernen Erziehungswesens, dessen Bestreben es ist, den
Rnterricht soweit wie möglich von der harten Schulbank loszulösen.
Prag R. Batka

Gedanken und GedichLe von Friedrich Theodor Vischer

fhundert Jahre wäre er jetzt alt, fast zwanzig Iahre ist er nun
tot. And noch heute, da ich draußen im Freien lebhast seiner gedachte,
kam es gerade so über mich, wie damals, als ich das erstemal neben
ihm her schritt: ich griff nnwillkürlich nach dem Hut, um ihn in der
Hand zu tragen, als passe sich's nicht, neben Vischer bedeckten Hauptes
zu gehn. Nun bin ich nicht sehr venerationsbedürftig, ich habe solch ein
Gefühl kanm noch vor drei, vier Menschen sonst gehabt. Hatte ich's
vor Vischer so stark wegen seiner durch und durch ethischen Persönlich--
keit? Ich glaube nicht deshalb allein, ich glaube vor allem deshalb,
weil sich diese Durchsittlichung des Menschen bis in die letzte
Ader hier so wundervoll mit der Freiheitlichkeit eines Geistes
verband. Es war, als veredelte sich die Welt in seiner Nähe, aber ohne
daß sie sich im mindesten verengte, nein, wie sie edler ward, ward sie
auch weiter, und wenn die Gewitter vor seinem Auge noch wilder zu
blitzen und zu donnern schienen, so strahlte am Schlusse die Sonne stets
über weithin aufgehellte Fernen. So war's, als böte diese Persönlichkeit
ganz unmittelbar Lebensfreude und Kraftgefühl zum Trunk.

And doch weiß das deutsche Volk noch heute nicht, was es an
Vischer hat. Wir sind mitten in der allgemeinen „Erzieher"-Mode, sind
mitten in der besonderen „Kunsterziehung" darin, greifen auch nach den
Ausländern, um Führende Geister" heranzuholen, aber auf unsre besten
„Kunsterzieher" blicken wir herzlich selten. Gewiß, das hat seine Gründe.
Vischers große „Ästhetik" ist nicht nur ein schwieriges und bändereiches,
sondern es ist auch ein im Buchhandel längst vergriffenes und nicht
wieder gedrucktes Werk, dazu kommt, daß Vischer selbst seinen auf Hegel-
scher Grundlage aufgebauten systematischen Teil in späteren Iahren nicht
mehr anerkannt hat. Die bei Cotta erschienenen „Kritischen Gänge" und
ihre Fortsetzungen „Altes und Neues" sowie die jüngst ebendort heraus-
gegebenen „Vorträge" sind vielleicht auch zu umfassend, als daß sie das
neue Geschlecht zur ersten Beschäftigung mit Vischer ermunterten. Aber
wie kam es, daß eine solche „erste" Beschäftigung für viele wiedsr er-
forderlich ward, wie kam es, daß Vischer nicht „in der Tradition" blieb,
daß sein Ansehen, die Beschästigung mit ihm bei den heranwachsenden
Kunstbeflissenen sich nicht sozusagen obligatorisch gehalten hat? Ich
glaube, das lag zu einem Teil an den Hochschullehrern. Die Ästhetiker
von Fach beurteilten ihn oft noch nach seiner von ihm selber auf-
gegebenen systematischen Ästhetik, und sis fanden ja freilich auch unter
_ . ___ _i

268 Kunstwart XX, O
 
Annotationen