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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1907)
DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Kunst aus der Maschine
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0700

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Hahrg. 20 Erstes Septemberheft l 907 Heft 23

Kunst aus der Maschine*

Vor Iahren schon entbrannte der Streit über den Kunstwert
der ersten Meisterbilder des Kunstwarts, der damals noch nicht mit
so vollkommenen Techniken arbeiten konnte wie später; die photo-
mechanische Wiedergabe der Radierungen wurde von einigen Samm-
lern und Kunstgelehrten ziemlich mit Achselzucken abgetan. Später
wurde die eigentliche Grundsrage — die nach der ästhetischen Be-
rechtigung mechanischer Knnstwiedergabe — aus musikalisches Gebiet
übertragen und der Kamps hier eigentlich durch den Aussatz von
Ludwig Riemann im Hest 23 vor. Is. zum Abschluß gebracht. Und
dennoch kann die Sache noch nicht wohl ruhen, glaube ich, denn ganz
zu ihrem Kern scheint man noch nicht vorgedrungen zu sein. Daneben
bedenkt uns die Industrie derart mit neuen Erfindungen, daß z. B.
die Wiedergabe einer Bayreuther Musteraufführung des Parsival
durch „isochronischen Phono- und Kinematographen" — die Wort-
ungeheuer gehören einmal zu einer guten modernen Lrfindung —
innerhalb der nächsten zwanzig Iahre mit ziemlicher Sicherheit in
Aussicht gestellt werden kann.

Angenommen, diese Wiedergabe erreichte volle Naturtreue:
hätte man nicht mindestens aus Volkserziehungsrücksichten allen
Grund, die Vervollkommnung der heurigen Quäk-, Knurr- und Heul-
maschinen und der nervenzerrüttenden Flacker- und Zitterbilder mit
Iubel zu begrüßen? Oder sollen wir solcher Prosanierung der Kunst
vorbauen?

Die Antwort fällt ganz verschieden aus, je nachdem ein Kunst-
kenner und Asthet oder ein Kunstfreund und Kunstbeglückter sie gibt.

Leuchten wir zunächst noch einen Augenblick in die Vorfrage
hinein: Ist es a priori als unmöglich zu bezeichnen, daß es der
Technik gelingen kann, ein Werk des Griffels, des Pinsels, des
Meißels oder ein Tonwerk so wiederzugeben, daß es völlig den Lin-
druck des Originals macht? Ich sage ausdrücklich: den gleichen Ein-
druck. Ich glaube, jeder Techniker ist überzeugt, daß sich mit der
Zeit eine völlige Doppelgängerschaft zwischen Urbild und Nachbild
erzeugen lassen wird. Wer die Fortschritte der photomechanischen
Verfahren in den letzten zehn Iahren verfolgt hat, muß wissen, daß
der Erfindergeist an keiner Schranke Halt macht. Auch Schlagworte
wie Fälschung und Kunstfalschmünzerei werden ihn nicht zurückhalten.
Schon heut ist es im wesentlichsten nur das — Papier, wodurch
eine Originalradierung der mechanischen Kopie im Eindruck noch

stark überlegen ist. Sehen wir aber hier den Kenner den Wert

einer besonders guten Kopie gegen das Original abschätzen, so schiebt

er bereits die Brille hoch, geht ans Licht — natürlich mit sehr

überlegenem Lächeln —, holt auch wohl gar ein Vergrößerungsglas
hervor und entscheidet dann: die Weichheit des Striches, dessen Per-

* Dieser Aufsatz ist schon im Februar syo? geschrieben worden. Kw-L
^ s. Septemberheft lZO? 589 ^
 
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