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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 24 (2. Septemberheft 1907)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0786

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Frau heraus, da hatte man doch was zu lachen! — Dabei konnte sie
das gebrochene Bein eines Kätzchens mit großer Sorgfalt und Zartheit
schienen und einen Kanarienvogel, der ins Wasser gefallen und ganz
erstarrt war, stundenlang vorn in ihrem Seelenwärmer tragen, damit
er sich erhole.

Glücklich war sie, wenn man sie dazu bestellte, Gäste zu bedienen,
aber sie folgte den Gesprächen mit so angestrengter Aufmerksamkeit, daß
Unglücksfälle mit Tassen und Bowlengläsern nicht ganz vermieden
blieben. Mit einem vergnügten „Hopsa!" und „Ei verflixt!" fand ihr
unzerstörbarer Humor sich damit ab, und schalt man sie nachträglich,
so versicherte sie treuherzig: ^aber ich hab's wirklich nicht gern getan!"
— Was sie gelegentlich aufschnappte, unterlag ihrer Kritik. Einmal
wurde ein Brief aus Italien vorgelesen. Die Schreiberin schilderte Pom--
peji, und dabei kam zur Sprache, wie man die verschüttete Stadt einst
wieder entdeckte, als Bauern beim Brunnengraben auf ein Dach stießen.
Als die Gäste fort waren, kicherte Marie beim Gläserspülen unaufhörlich
in sich hinein. Warum? „Ich muß zu sehr lachen über die dummen
Leute, die da wollten auf einem Dach einen Brunnen graben!" —

Als meine gute Mutter starb, gebärdete sich Marie wie ein berufs--
mäßiges Klageweib und erzählte jedem, wie viele Vaterunser sie täglich
für die abgeschiedene Seele sprechen müsse. Da wir evangelisch sind,
bedeuteten wir sie, daß hierfür nach dem Gebrauch unserer Kirche kein
Muß vorliege. „Ia, es ist aber doch hübsch von mir!" meinte sie. —
Diese Art von Außerungen, wie überhaupt ihr mit der Zeit immer
familiärer werdendes Wesen, das eben nur unsere Mutter zu dämpfen
verstand, hat ihr später in meinem eigenen Haushalt den Hals gebrochen.

1^1 Waschzettel

Der letzte Deutsche Iournalisten--
und Schriftstellertag hat eine Re-
solution angenommen: „Er hält es
für wünschenswert, daß seitens der
Redaktionen (soweit sie überhaupt
Verlagsempfehlungenabdrucken) eine
Rnterscheidung von Originalbespre-
chungen und Abdruck von Wasch-
zetteln dem Publikum durch irgend
eine Form kenntlich gemacht wird."

Dadurch hat er sich zum ersten
Male einer Forderung angeschlossen,
die der Kunstwart seit fünfzehn
Iahren verficht. Ohne daß er im
mindesten Grund hätte, damit zu
prahlen: im Gegenteil, wir haben
gerade bei dieser Forderung gesehen,
als wie bescheiden sich mitunter die
„Macht" unsres Blattes erweist: trotz
unsres Kampfes gegen den Wasch-

zettel-Unfug ist es in der Praxis
immer „toller" damit geworden.

Um minder Eingeweihten die
Frage noch einmal kurz zu um-
schreiben: nicht der Abdruck von
Begleitzetteln der Verleger an sich
ist vom Abel, sondern der Abdruck
ohne klare Kennzeichnung. Mit an-
dern Worten, die Irreführung der
Leser: eine Besprechung rühre von
irgend einem Unparteiischen her,
den die Nedaktion mit der Prüfung
beauftragt habe, während sie in
Wahrheit vom Verleger oder Ver-
fasser, also von einem der nächsten
Interessenten stammt. An sich
wären Begleitzettel der Verleger bei
Rezensionsexemplaren für die Ta-
gespresse nur von den allergrößten
und finanziell kräftigsten Blättern
zu entbehren (die sie freilich auch

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Allge-

melneces
 
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