Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
DOI Artikel:
Landsberg, J. F.: Der weibliche Richter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die Schöffen fürs ganze Iahr die gleichen sein würden, eine Schöffin, die
unter dem Amte leidet, ausscheiden und durch eine Hilfsschöffin ver-
treten werden. Auch haben sie keine Urteilsbegründungen auszuarbeiten.
Endlich ist das, was wir von einer Gesetzesreform als Iugendgericht
erwarten, kein eigentliches Strafgericht mehr, — berufen, Untaten im
Namen der staatlichen Vergeltungsmacht zu rächen, sondern eine in
richterlicher Unabhängigkeit wirkende Verwaltungsbehörde, — berufen, die
Anerzogenen einer erziehlichen Gewalt zu übergeben. Ls erhellt ohne
weiteres, daß das Mütterliche im Weibe die Frau befähigt, gerade in einer
solchen Behörde Hervorragendes zu leisten. Das Iugendgericht ohne
weiblichen „Einschlag" würde fein, wie eine Familie, in der die Mutter
fehlt, die in Augenblicken der wichtigsten Entscheidungen über die Kinder,
oder der Kinder selbst, das Wort der zartfühlenden Fürsorge, den Ton
der Gemütstiefe reden könnte. Gerade die Frau, die ganz nur Weib
und Mutter ist, hat da ihren Posten. Ie weiblicher und mütterlicher, defto
bessere Schöffin des Iugendgerichtes. Nun wird man mich fragen:
„werden gerade solche Frauen als Schöffen zum Iugendgericht kom-
men?" Es ist klar, daß die Kommissionen, welche bisher die Schöffenlisten
zusammenstellen, nicht befähigt sind, die Geeigneten auszuwählen. Vor-
handen sind sie. Aber wer sucht sie aus? Ich glaube, daß man diese
Arbeit am besten wie solgt vollbringt: die Gemeindewaisenräte des Bezirks,
der Kreisschulinspektor, die Fürsorgeansschüsse, die Kirchengemeinden und
die mit Erziehung sich befassenden Vereine seien berechtigt, die beiden
Erstgenannten auch verpflichtet, in der Iugendsürsorge erprobte Personsn
untadeligen Rufes vorzuschlagen. Aus diesen wählt dann die Kom-
mission, ergänzt durch die Vormundschastsrichter und den Iugendrichter des
Bezirkes die Schöffen und Schösfinnen, ohne an die vorgeschlagenen unbe-
dingt gebunden zu sein. Gegen die Wahl Angeeigneter haben die ge-
nannten Richter das Recht des Einspruches. In den meisten bedeuten-
deren Orten gibt es jetzt bereits in der Iugendsürsorge erprobte Franen.
Wir würden bei der Auswahl nicht in die Verlegenheit kommen, Geeignete
zu vermissen, sondern höchstens in die Verlegenheit der Frage, welche die
Beste und Eifrigste ist. Wo eine Iugendgerichtshilfe gearbeitet hat, oder
ein Ausschuß für Iugendfürsorge scine Helferinnen an das Iugendgericht
abordnete, kennt der Iugendrichter längst die Frauen, die er als Schöfsinnen
an seine Seite wünscht.

So ist dieses Problem zur Lösung reif. Man löse es. Nur geistige
Trägheit ist es, wenn wir da nicht sofort das Neue schaffen, das uns aus
einem zersahrenen Holzwege aus eine gute Straße führen wird, die ein
Ziel hat.

Das Richtertum als Beruf dagegen ließe der Frau nicht eben viel
von der Möglichkeit, weiblich zu bleiben. In der großen Mehrzahl der
Stellen, und zwar in der ganzen Prozeßtätigkeit des Richters, ist kein
Raum für Mütterliches. And bis zum Niederdrücken schwer lastet das
Maschinelle, das stets neue Beurteilungsobjekte ungerufen rasch hinter-
einander Vorbringende der Arbeit auch auf den „wetterfestesten" Männern
unter uns. Dann: welche Verantwortungen! And die Gewißheit, trotz
gewissenhaftester Prüfung oft gefehlt zu haben! Ein Augenblick der
Müdigkeit, ein Versagen des Gedächtnisses, die Ablenkung durch einen
äußeren, einen körperlichen oder inneren Vorgang, und das Bild der

tz Oktoberheft M2 A
 
Annotationen