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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
DOI Artikel:
Weber, Ernst: Absolutismus oder Demokratie im Schulstaate?
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zehn Jahre Dürerbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0040

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zen schwerfälligen Apparat der Schülerinstanzen unnötig machen
könnte.

Dazu kommt: die Schülerregierung bietet keineswegs die Gewähr
dasür, daß ein unerträglicher Zwang durch die rechte Freiheit ab-
gelöst wird. Schüler urteilen über ihre Altersgenossen in der Regel
— ich erlebte dies an Dutzenden von Beispielen — härter, als der
gereifte, psychologisch geschulte Mann. Ferner fiel mir immer auf,
daß die Klassenmeinung meist zu einer Tyrannei wird, die jede, auch
die berechtigte Einzelpersönlichkeit niederzuhalten strebt. Unreife
Menschen fürchten den Spott ihrer Altersgenossen mehr als die Rüge
des Lehrers. Nicht jeder Klassengeist ist gesund. Die „öfsentliche
Meinung" innerhalb einer Klasse zur gesetzgebenden Macht zu er-
heben, kann zur Gewaltherrschaft im schlimmsten Sinne führen. Der
gesunde Knabe verlangt den gereiften Mann. Er will
in seinem Lehrer und Lrzieher ein Beispiel, ein Ideal finden,
das ihn selbst zur Nacheiferung anspornt. Freilich muß der Lehrer
darnach sein! Kein engherziger Pedant, kein verbissener Sonderling,
sondern ein Freund seiner Schüler, ein Kamerad seiner Zöglinge, ein
Mensch mit jungem Herzen, ein Mann, der mit dem Iungen mit-
fühlen, m i t lachen und m i t streben kann, der aber bei aller Kamerad-
schaftlichkeit doch den Abstand zu wahren vermag, der nötig ist, um
Führer, um — ich gebrauche mit Absicht das geschmähte Wort —
„Autorität" bleiben zu können. Wem dies nicht gelingt, den ver-
wirft am allerersten der gesunde Instinkt eben der Schüler, die er
zu freien Männern erziehen soll.

In einer derartigen Lehrerpersönlichkeit ist zugleich die Gewähr
gegeben, daß eine angemessene Selbstverwaltung seitens der Schüler
zu ihrem Rechte kommt, ohne in knabenhafte Veräußerlichung, in Zeit-
und Kraftvergeudung oder in ungesunde Iakobinerherrschaft aus-
zuarten.

Freiheit und Zwang — nur wo die beiden Mächte in rechte Ver-
bindung treten, werden sie zum Segen führen, während die über-
scharfe Betonung der einen wie der andern naturnotwendig in ihr
Gegenteil umschlagen wird: in die unleidliche Parteiherrschaft einzelner
Schülergruppen bei scheinbarer Freiheit oder in die aufrührerische
Kraftstimmung bei scheinbar unantastbarer Lehrerherrschaft. Der Weg
zur Selbstregierung führt durch den Gehorsam; aber auch der
Weg zum rechten Gehorsam bedingt eine freie Bestimmung
durch das eigene Selbst. Das sollte nicht vergessen werden,
weder von den Anhängern der neuen, noch von den Vertretern der
alten Grundsätze. Ernst Weber

Zehn Jahre Dürerbund

diesem Hefte bringt Fröhlichs Blumenmädchen den Lesern einen
^Gruß vom Dürerbunde. Er ist jetzt zehn Iahre alt.

Der Dürerbund ist nach der Lex Heinze-Bewegung von Ferdinand
Avenarius im Gegensatz gegen die nur agitatorische Tätigkeit anderer Ver-
einigungen aus dem Willen heraus gegründet worden: Nicht nur reden
und protestieren, sondern arbeiten! Nicht nur dabeistehen, sondern
auch bauen! Nicht nur bedauern, sondern auch helfen!

2^ Kunstwart XXVI, l
 
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