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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1912)
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Schumann, Wolfgang: Vom Singen lernen
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Stapel, Wilhelm: Kunstgeschichte für Kunstgenuß?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0122

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Insofern gelten diese Anschauungen auch für den häuslichen Liebhaber.
Auch er wird gut tun, wenn er schon singt, diese Abung ernster und
rnit größerem Bedacht zu pflegen, als das jetzt üblich ist. Wie viele hört man
heute, die trotz ganz hübscher Routine nichts sind als Liedverderber,
weil sie das Singen als Zeitvertreib ansahen. Später lassen sie es
dann liegen! Amd wie viele Menschen könnten durch vernünftiges Singen--
lernen zu echten Musikfreunden werden und zu solchen, die vom ganzen
Wesen der Kunst etwas Wahres wissen, weil sie es auf bescheidnem
Platz liebevoll gesucht und erarbeitet haben!

Wolfgang Schumann

Kunstgeschichte für Kunstgenutz?

(Schluß)

^-^-rst da, wo die Hauptbedingung: die selbständigeBeschäftigung mit Kunst-
E ^l^werken und Nachbildungen, ersüllt ist, erst da können Bücher helfend
und fördernd hinzugezogen werden. And zwar denken wir dabei zunächst
an solche, die im besprochenen Sinne zur Kunst hinleiten ohne ästhetische
oder kunstgeschichtliche Absichten. Sie werden vor allem den Leser an°
regen, das Kunstwerk in allen seinen Teilen und in seiner Gesamtheit
genau zu betrachten, und zum andern: sie werden ihm das Fremd-
artige, das ihm den Genuß stört, erklären und überwinden helfen. Es
handelt sich also um vorbereitende Bücher. Sie sprechen nicht
das Wesentliche des Kunstwerks aus — das kann ja doch immer nur
das Kunstwerk selbst! —, aber sie leiten Augen und Gedanken so, daß
wir darauf zukommen, wenn wir überhaupt Sinn für Kunst haben.

Die ersten solchen Einführungen in die Kunst waren Lichtwarks
„Äbungen in der Betrachtung von Kunstwerken" (Eassirer, Berlin, ^ M.).
Sie vermeiden alles Wissenschaftliche und wollen nur bis an den
Kunstgenuß heranführen; das weitere überlassen sie jedem selbst. Diese
„Abungen" sind in ihrem Ton darauf eingestellt, die Iugend für Kunst
zu gewinnen. Wir wünschten wohl, dergleichen Bücher für den er-
wachsenen kunstliebenden „Laien" zu haben. Aber so simpel die Er-
füllung dieses Wunsches dem oberflächlichen Blick zu sein scheint, es
gehört doch — vielleicht nicht großes Kunstwissen, wohl aber feinstes
und geklärtes Kunst e m p f i n d e n dazu, ein solches Werk zu schaffen.
So ist denn Lichtwark leider ohne genügende Nachfolge geblieben, soweit
Vücher in Frage kommen. Gewiß gibt es eine Anzahl, die sich die
Aufgabe stellen, den Anfänger oder Laien in die Kunstbetrachtung einzu-
führen, aber sie schlagen alle einen anderen, und zwar gefährlicheren
Weg ein: den Weg ästhetischer und geschichtlicher Anterweisung. Zwar,
soweit sie zur Betrachtung und Vertiefung in das Kunstwerk nötigen,
haben sie auch als Anleitung zum Kunstgenuß ihren Wert. Sehr
fruchtbar kann da die Methode der Vergleichung werden. Die
„Vergleichenden Gemäldestudien" des Münchner Kunsthistorikers Karl
Voll (Müller, München, 2 Bände zu je 9 M.) sind sehr wohl auch
dazu geeignet, dem gebildeten Laien den Sinn für die eigentümlichen
künstlerischen Werte der Gemälde verschiedener Zeiten anzuregen und
zu schärfen. Wer die beiden Bände durchgearbeitet hat, wird ein Bild
nicht mehr mit flüchtigem Blick „abtun", weder ein altes noch ein

90 Kunstwart XXVI, 2
 
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