Kunstwart und Kulturwart (26,1.1912)

Nachdem er dies gebetet, richtet er sich auf,

Schwenkte zur Seite, lenkte heimwärts seinen Lauf.

Doch wie er nunmehr über sich das Farbenglühen
Der Himmelsberge sah im Widersonnenglühen,

Amd flügelblitzend, licht vom Flammenschein erhellt,

Die Engelreihe, auf der Mauer aufgestellt,

Wo nach dem angelobten Freudenzeichen immer
Sie fleißig spähten, das nun folgte nie und nimmer,

Da ward der ewge, unersetzliche Verlust
In seiner ganzen Größe plötzlich ihm bewußt,

Und Tränen rannen, angesammelt und gespart,

Dem Lautaufschluchzenden auf Wangen und auf Bart.

Im Menschenschlosse aber, kurze Zeit nachher,

Als König Lpimetheus still und trauerschwer
Zu Herzelieb, der schönen Freundin, kam gegangen,

In seinem Gram den Trost der Liebe zu empfangen,
Erhielt er feindlichen Bescheid. „Ei seht ihn doch,"

Rief sie ihm zu, „er wagt's fürwahr nach allem noch
Vor meinen Blick zu treten, er, den ich gesehn
Als armen Sünder zitternd vor dem Richter stehn.

Er, dem das Schandmal seiner Amzulänglichkeit
Die Stirn gemerkt hat, sichtbar in die jüngste Zeit."

Amd sprach nicht mehr mit ihm, den sie verächtlich mied,
Bis daß sie, ihn verschmähend, aus dem Hause schied.

Vom Heute fürs Morgen

Erster und zweiter Hand

^>^er Unterschied von „Schöpfer"
-^und „Verwerter" geht durch
unser ganzes Schriftwesen, nicht
nur durch die Bücher, auch durch
Zeitschriften und Tagesblätter. Es
gibt auch in der periodischen Lite-
ratur deutlich zwei Gruppen, und
es hängt ganz und gar nicht vom
Geldaufwande ab, ob sie original
wirken oder nicht. Wir haben be-
scheidene Blätter, kleine Tages-
und Wochenblättchen zum Beispiel
irgendwo abseit in der Provinz,
deren Spalten der Leser sofort von
einem schaffenden Geiste beherrscht
fühlt, und es gibt große, sich füh-
rend wähnende und mit Luxus
ausgestattete Zeitschriften, die nur

Verwerterblätter sind. Solche so-
gar, die sich mit allen Zutaten des
Persönlichen ausstaffieren und mit
allen seinen Gebärden benehmen,
damit ihre Leser für Eigenlicht
halten, was doch nur Spiegellicht
ist. Wer oberflächlich hinschaut,
bemerkt das nicht, denn was der
Schöpfer, der Schaffende voriges
Iahr gefunden hat, machen sie ja
dieses Iahr schon nach. Am schnell-
sten erkennt man sie immerhin
daran, daß sie überhaupt nach-
machen. Denn nichts widerstrebt dem
wirklichen Schöpfer mehr, als eben
dies. Nichts widerstrebt ihm über-
haupt mehr, als zum zweiten Male
genau ebenso zu tun, wie vorgetan
ist, nichts also wird ihm auch

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Kunstwart XXVI, 2