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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 4 (2. Novemberheft)
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Behl, Carl F. W.: Gerhart Hauptmann: zu seinem fünfzigsten Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0293

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Gerhart Hauptmann

Zu seinem fünfzigsten Geburtstage

«^eiteinschnitte, Iubiläen mögen willkürliche Anlässe sein^ man mag
><sie für etwas Außerliches, Zufälliges nehmen, das ebenso gut
^Fein Iahr früher oder später hätte fallen können. Sie bleiben
willkommene Gelegenheiten zur Umschau. Sie sind es zumal in so
rastlos vorwärtsstürmenden Zeitläuften. Ein Anhalten, ein Atem-
holen, ein Sichbewußtwerden.

Wenig mehr denn zwei Iahrzehnte sind vergangen, seit wir Ger-
hart Hauptmann unter uns wissen. Wir haben während dieser kurzen
Spanne all die Bangnisse eines rastlos Ringenden mit erlebt, seine
Siege, seine Verzweiflungen, seinen heiligen Glauben, Gelingen und
Versagen, Aufrasfen und Sichfinden, Sehnsucht und Erfüllung. Das
alles ist in all den Iahren mit uns dahingerauscht, eingebannt in
den Rhythmus dieser unserer Gegenwart.

Professor Mäurer äußert zu Gabriel Schilling in des Dichters
jüngst veröffentlichtem Werke: „Und jetzt, Iunge, sage ich mal etwas
Mystisches. Wir sind uus der gleichen Generation." In eben diesem
Mystischen liegt auch das Geheimnis beschlossen, das über dem Ver-
hältnis einer Zeit zu ihren Künstlern waltet. Lin beide zugleich
umspannender Rhythmus, der sie gemeinsam trägt, nimmt ihnen
die Möglichkeit, sich voneinander in irgendeinem Augenblicke soweit
zu lösen, daß sie sich rein betrachtend gegenüberstehen könnten. Und
so darf das, was zum 50. Geburtstage Gerhart Hauptmanns zu sagen
ist, nichts kritisch nbwägend Bewertendes sein, sondern nur das ge-
legentliche Festhalten eines Gesamteindrucks, der aus der Flucht vor-
übergerauschter Einzeleindrücke das Bleibende in sich vereinigt. Und
es ist gut in dieser vielspältig-verwickelten Gegenwart, sich einmal
eines besonderen Wertes in seiner Gesamtheit bewußt zu werden.

O

Vor uns liegt ein in kaum fünf Lustren erwachsenes gewaltiges
Werk, das unsere ganze Andacht und Anteilnahme erheischt. Ein
gewaltiges Werk, selbst gemessen an Gewaltigem vergangener Zeiten.
Gewaltig, nicht weil etwa alles vollendet wäre, alles den Stempel des
Ewigen trüge, sondern weil uns dieses Werk, als Ganzes erfaßt,
etwas Gewaltiges, Ewiges bedünkt. Was von Michael Kramers
Lebenswerk der gläubige Schüler äußert, das gilt für Hauptmann
nicht minder: „Fragmentarisch ist alle Kunst. Was da ist, ist schön.
Ergreifend und schön."

Man hat ihm — in letzter Zeit geschah es wohl häufiger als sonst —
vorgeworfen, daß er sich nicht scheue, Schwaches, Unfertiges und gar
Wertloses zu geben. Man hat uicht bedacht, wiewenigSchwaches
oder auch nur Unsertiges dieser Dichter im Verhältnis zu der
Fülle seiner Herrlichkeiten gab. Rnd darum könnte in sol-
cher Erkenntnis wohl der tiefere Sinn seines Iubiläums liegen. Haupt-
mann hat sie uns wahrlich leicht gemacht, da er uns in diesem Iahre
„Gabriel Schillings Flucht" nicht mehr vorenthielt, sein persönlichstes,
menschlichstes Drama, einen seiner dauernden Werte.

2. Novemberheft W2 2Z3
 
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