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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 4 (2. Novemberheft)
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Baran, Artur: Vom Gemeindebestimmungsrecht
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Marr, Heinz: Staatserhaltende Fahrpreisermäßigungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0309

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lichen Mitgliedern einer Gemeinde das Recht zu, darüber abzustimmen:
ob für ihr Gebiet die gewerbsmäßige Veräußerung geistiger Getränke
einzuschränken oder ganz zu verbieten ist. Also: nicht die Behörde ent--
schiede, sondern die Bevölkerung. Die reichsgesetzliche Einführung dieses
Nechts könnte durch einen in diesem Sinne gehaltenen Zusatz der
Gewerbeordnung ermöglicht werden.

Noch sind wir nicht so weit. Aber, ebenso wie das Pollardshstem ganz
allmählich, auf dem Wege durch die kleinsten Bundesstaaten in Deutsch--
land siegreich einzieht, so muß auch das Gemeindebestimmungsrecht
kommen. Artur Baran

Staatserhaltende Fahrpreisermäßigungen

eit dem Sommer gewähren die deutschen Eisenbahnen wesentliche
Fahrpreisermäßigungen im Interesse der Iugendpflege, jedoch —
wie es im betrefsenden Erlasse heißt: lediglich Vereinen, „die einer
staatlich geförderten, besonders bekarrnt gegebenen Organisation, beson--
ders dem »Iungdeutschlandbund« angehören". Die Mehrzahl der deut-
schen Zeitungen hat seinerzeit diesen Beschluß „äußerst dankenswert" ge-
funden, denn ihrem hastigen Urteil genügte schon das Nebeneinander der
Begriffe Iugendpflege und Fahrpreisermäßigung. Sehen wir uns die
Sache doch lieber näher an!

Wer die Bewegungen und Kämpfe, die heute unter der Parole „Iugend-
pflege" vor sich gehen, genauer kennt, vor allem, wer Einblick gewann
in die Motive, die einer Iugendpflege-Organisation staatliche Gunst
verschaffen, weiß, daß der Erlaß der deutschen Eisenbahnen alle Iu-
gendvereine ausschließt, die nicht satzungsgemäß die „Liebe zu Kaiser
und Reich" oder mindestens „die Pflege des deutschen Geistes^ in der
obrigkeitlich gewünschten Weise „erstreben". Ausgeschlossen sind demnach
die sozialistischen Iugendorganisationen und wahrscheinlich auch die ethisch-
positiven, politisch aber neutralen Gruppen. Das bedeutet: Der Erlaß
vom s5. Iuli verändert die Tarife nach der Gesinnung der Neisenden.

Bisher waren die Benützungsbedingungen unsrer öfsentlichen Verkehrs-
einrichtungen auch in ihren Vergünstigungen nach objektiven Grundsätzen
geregelt, hier aber wird, zum ersten Male in der Geschichte des modernen
deutschen Verkehrswesens, dieses Prinzip, das uns selbstverständlich galt,
verlassen. Wenn es nunmehr der Neichspost einfiele, „staatlich-geförderte
besonders bekannt gegebene" Zeitungen zum Vorzugspreise zu expedie-
ren, so wäre das dem Prinzip nach nichts Neues mehr. Indessen, ich
will mich bei dieser Seite der Frage, so wichtig sie auch ist, nicht auf-
halten. Wesentlich näher liegt mir die Sorge: Wie wird der Erlaß vom
s5. Iuli auf die Iugendvereinsbewegung wirken?

Seit mindestens einem Iahrzehnt rufen wir nach Vergünstignngen für
Iugendfahrten, und wir dachten dabei hauptsächlich, wenn auch keines-
wegs ausschließlich, an die Iugendmassen des Arbeitervolks, die in unsern
dicht bebauten Vorstädten kaum noch Platz für erlaubte Bewegungen fin-
den. Ihnen das Menschenbedürfnis nach frischer Luft zu er-
füllen, sie den aufreibenden Sensationen des Großstadtsonntags zu ent-
ziehen, — diese Notwendigkeit erkennen ja heute alle Mitarbeiter
am modernen Iugendwerke an, mögen sie auch sonst durch die „entschieden-

j 2. Novemberheft M2
 
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