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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1912)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0412

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neunzehn errang er Heine die Rente, mit zwanzig stürzte er sich in den
Kampf für die Gräfin Hatzfeld, achtundvierzig für die Freiheit. Dann,
als seine Betätigungssucht kein neues öffentliches Feld sah, verbiß fie
sich in den cheraklit. Bald wird sie sich etwas anderes, ganz Amver-
mutetes erküren. Diesen Latenmenschen ist das Ziel im Grunde gleich-
gültig. Sie wollen tun, irgend etwas Großes, und das Größte erscheint
seit Iahrtausenden allen großen Geistern der Kampf um die Freiheit.
Seine Nede heute abend zeigte mir, daß er sich bald in einen neuen
Kampf stürzen wird. Ihn dürstet nach einer Lat in der Ssfentlichkeit."

Boeckh nickte. „Es ist das Holz, aus dem Welteroberer, Asurpatoren
und Revolutionshelden geschnitzt werden. Hätte er zur Zeit des Direkto-
riums gelebt, so hätte Bonaparte ihn aus dem Wege räumen müssen.
Für beide war in Frankreich damals nicht Raum."

Da sagte Or. Prietzel sehr traurig: „Ich fürchte für ihn."

„Fürchten Sie nicht", tröstete Dohm. „Männer wie Lassalle bedürfen
unserer Furcht nicht. Aber neugierig bin ich, was wir noch an ihm
erleben werden."

„()ui vivra, verro", sagte Pfuel und hob den Zhlinder. „Bis dahin
gute Nacht, meine Herren!" —

Oben in seinem Arbeitszimmer saß Lassalle am Schreibtisch und
schrieb bis in den grauenden Morgen an seinem Franz von Sickingen.

Vom tzeute fürs Morgen

NeligiösesBeamLentum?

er Kunstwart hat sich oft mit
Dingen beschäftigen müssen, de-
nen gegenüber der Ausdruck unsrer
Meinung nur noch ein schneiden-
des Nein sein konnte, vielleicht je-
doch selten mit etwas, das so um-
fassend und erstickend an die Mur-
zel der Aufrichtigkeit und damit
alles geraden Ausdrucks überhaupt
gegriffen hat, wie das, was zurzeit
sich in der größten deutschen Landes-
kirche abspielt, also für halb Deutsch-
land. Betonen wir noch einmal:
es ist nie und nimmer Aufgabe des
Kunstwarts und es liegt uns des-
halb heute so fern wie je, in dem
Kampf zwischen Liberalismus und
Orthodoxie als solchem Partei zu
nehmen. Aber wir nehmen Partei
für die offene Aussprache gerade
der Berufenen — und als solche
sollen die Pfarrer doch gelten —,
seien sie nun orthodox oder liberal.
Dazu verpflichtet uns unsere Auf-

gabe, und dafür werden wir
auch in kirchlichen Dingen wirken,
ganz gleichviel, ob wir uns heute
mit Liberalen, morgen mit Posi-
tiven zu verbünden haben.

Wir sprechen von dem Versuch,
das geistigste Element des Lebens,
die Religion zu reglementieren. Die-
ser Versuch stellt uns unmittelbar
vor einen Entscheidungskampf, und
wenn er nicht abgewehrt wird, vor
den Zusammenbrnch des Protestan-
tismus. In einer Zeit, wo die am
tiefsten Lebenden unter uns müh-
sam und oft in schwerer persön-
licher Qual um neuen Ausdruck für
das in sich kämpfen, das ihr Leben
aus dem Ewigen her durchtränkt —
in einer solchen Zeit hat ein ener-
gisches Ingenium den Plan gefaßt,
uns von aller solchen inneren Ar-
beit, von allen Skrupeln und Zwei-
feln durch ein verzweifelt einfaches
Mittel zu erlösen. ,Wie einst der
siebente Gregor den Plan faßte, die

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Kunstwart XXVI, 5
 
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