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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1912)
DOI Artikel:
Malzan,...: "Status quo" und "Nichteinmischung": auch etwas über Kultur und Politik
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0463

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„8tstu8 quo" und ^Nichteinmischung^

Auch etwas über Kultur und Politik

ist in dieser Zeitschrift von alters her als ein Fest
^des Besinnens gefeiert worden, der Linkehr, aus der Erneue--
rung kommt. Was ich im folgenden sagen will, wendet sich
im eigentlichsten Sinn mit der Bitte um Besinnung an die Besten im
Volk, die, wenn sie noch nicht seine Führer sind, seine Führer werden
sollten. Denn es ist letzten Lndes wahrlich nicht „unpraktischer^ Idea-
lismus, den wir sördern möchten, sondern einer, der das allerprak-
tischste Wirken des Deutschtums in der Welt zum Ziel hat.

Die europäischen Diplomaten sind sich in den letzten Iahrzehnten
bei großem Mangel an Eintracht doch sehr ost über die Anwendung
zweier Prinzipien einig geworden: die der Ausrechterhaltung des Lkatus
yuo" und der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines
fremden Staates". Den Beweggrund für solche Verständigungen hat
gelegentlich des Pangtsevertrags zwischen Deutschland und Lngland
der Kladderadatsch in einem Bilde „gestaltet": Michel nnd Iohn Bull
sah man, Arm in Arm und doch auseinanderstrebend, zwischen zwei
nahen verlockenden Frnchtbüscheln, „Pangtsetal" und „Schantung"
dahinwandern, und darunter war zu lesen: „Nimm du dir nichts,
ich nehme mir auch nichts." Immer ist es die Angst davor, man
könnte bei Störungen des bestehenden Zustandes den kürzeren ziehen,
was jede einzelne moderne Großmacht bewegt, Liebe zum „stukus guo"
vorzugeben. Darum gelten die seierlichsten verbriesten und versiegel-
ten Erklärungen einer Macht, den Ltutus guo eines Landes achten,
vielleicht auch noch schirmen zu wollen, sofort nichts mehr, wenn sie
glaubt, ihn zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil einer mißliebigen
dritten Regierung verletzen oder verletzen lassen zu können. Wie viele
Mißhandlungen hat sich nicht schon der 8tutus guo in China gesallen
lassen müssen! Iapan sührte angeblich nur um dieses Prinzip Krieg
mit Rußland, wie es angeblich deswegen den Bündnisvertrag mit
England geschlossen hatte, und doch nahm es nach dem Kriege die-
selben Gebiete in Besitz, aus denen es die Russen vertrieb. Trotzdem
es ferner im Frieden von Portsmouth wie in neuen Verträgen oder
Abkommen mit England, Frankreich, Rußland, Amerika usw. den
neuen 8tutu8 guo in China zu achten versprach, machte es nach-
träglich Korea össentlich, die südliche Mandschurei vorerst im geheimen
zu japanischer Provinz und es ist jetzt drauf und dran, die innere
Mongolei sich anzugliedern, während Rußland die äußere Mongolei
und England Tibet in Besitz zu nehmen trachtet. Iapan zeigte sich
bei allen seinen Handlungen als moderne Großmacht ein gelehriger
Schüler der europäischen Diplomatie; dieser sehlt nur die Frische der
Iugend, um noch ebenso behende wie Iung-Iapan Wollungen in
Handlungen umzusetzen.

Vom 8tutu8 guo ist gewöhnlich nur bei Ländern die Rede, erstens:
deren Bevölkerung nicht über genügend starke politische Mittel ver-
fügt, um sich gegen fremde Eingriffe in ihre Verhältnisse schützen zu
können, und zweitens: deren Naturkräfte noch große neue Aus-



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