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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 9 (Juniheft)
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Illing, Werner: Vergnügen
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Schumann, Wolfgang: Legende
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0191

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daß man m'cht eines Arbeitstages Dauer hindnrch der Mechanisiernng mit Leib nnd
ganzer Seele verhaftet sein, sür wenige sreie Stnnden aber täglich hernach ein
Kind des Geistes nnd der Seelenhastigkei't werden kann. Man kann es nicht, die
Berusenen allein ausgenommen, die aus Qual und Zerhehtheit, ja selbst aus dem
Sumps und der Verstoßenheit heraus noch den Weg empor sinden und mit schwerem
Opser erzwingen. Mit schwerem Opfer, das ist der Preis! Dem Abgenutzten be-
deuket alles, restlos alles, waS noch „Geist" und „Seele" ansordert, weit weniger
Bergnügen, als Preisgabe der Bequemlichkeit, llberwinden natürlichen Antriebs.
Wollt ihr, gebildete Freunde, größere Mengen als heute dem „Vergnügen" ent-
reißen, der „Persönlichkeit", der Personheit zuführen, so beginnt bei den Voraus-
setzungen, nicht bei den Sympkomen. Einstweilen korrespondiert nicht nur äußerlich
das „Vevgnügen" der Masse der „Bildung" der Wenigen, und diese hättet ihr nicht,
häkten jene nicht jenes!

DieS anerkannt, und wir beenden alsbald die scheinbare Verneinung der Jdeale, die
scheinbare sage ich, welche in unserem Spiegelbild des „Vergnügens" waltet.
Das Wort ist abgenutzt, und das echte, rechte Kind dieser Zeit hört und spricht nicht
gern von „Jdealen". Dennoch sei zugestanden: was ihr so heißt, heißt mit Fug
so. Hier wurde der Zeit das Zeitliche erkennend entrissen — ihr, unstreitbar, habt eine
Ahnung des llberzeitlichen in Jdee und Ziel errungen.

Werner Jlling

Von Wolfgang Schumann

«^n einem Abend erhielt der junge Meister die Botschast, daß Mirjam gestorben
^ I sei. Sie war aber nicht eines sanften Todes gestorben, sondern Einer hatte sie
getötet. Er hatte es getan, weil Gomal ihn dazu angestiftet hatte und ihm
Geld gegcben. Gomal hatte Mirjam geliebt und zugleich gehaßt. Als cr zuletzt ganz
deutlich gefühlt hakte, daß ihr Herz dem jungen Meister gehörte, da hatte er m
tieser Nacht den gedungen, der sie dann tötete. Der junge Meister nun erhielt die
Botschaft, daß sie von einem Unbekannten getötet worden sei. Und sogleich wußte
er, daß Gomal die Tat getan hatte.

Er machte sjch auf nach ihrem Hause, aber sie lag schon in Tücher gehüllt, und die
Klageweiber standen umhcr. Da ging er an den Teich, wo er ost mit ihr gesessen
hatte, und weinte.

Indes seine Tränen slossen, sank er nieder ins Gras. Die Grashalme aber slüster-
ten ihm zu und sprachen: „Ein Jahr ist vergangen, da laget ihr beide bei uns, du
und Mirjam. Sie srug dich: Du begehrst mich zu besitzen? und du antwortetest:
Ja. Da sahen ihre Augen dich an und sagten: Jch bin dein, Meister, du weißt es.
Aber du wirst mich nicht besitzen, und auch daS weißt du. Jch bin ein Spiegel, wie
der Teich hier, in dem Sonne und Sterne, Wolken und Bäume sich erschauen. Gott
schasst Baumeister und Zimmerleute und Händler, Ackerbauer und Knechte und
Viehtreiber, Priester und Krieger und Schmiede, Hirten und Heilkundige, damit die
Menschen leben können. Und er schasft Männer und Frauen, damit sie das Leben
weitergeben. Unter vielen von ihnen aber schasst er einen, der ist nur ein Spiegel,
damit sie darin sehen, wie cr alleS schuf und ordnete und will. Der Spiegel gehört
keinem, nur ihm — und Allen ... Als i'hre Augen dies gesagt hatten, denn ihr Munö
schwieg die ganze lange Zeit, da sang sie ihr Lied. Das Lied von Gott und seinem
Willen, wie er alles schus und vrdnete. Nie hat sie es so gesungen wie an jenem
Abend. Wenn sie allein bei uns war, sang sie schön. Aber als dein Blick an ihrem
Munde hing, sang sie aus Gottes Herzen. Menschen und Tiere und der himmlische
 
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