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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 10 (Juliheft)
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Scholz, Wilhelm von: Grundsätze für die Fremdwörterverdeutschung
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Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0266

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klangfremd gebildet sind (Trikotagen, das mehrsach ertvähnte Chaussenr u. a.),
und denen, die entlegene, verwickelte, nicht zum Allgemeingut bestimmte Dinge
bezeichnen. Die Sprache wird tvirklich deutsch tvahrscheinlich immer nur Dinge
benennen können, die irgendtvie eine Beziehung, und ztvar eine gesuhlömäßige Be-
ziehung, zum allgemeinen täglichen Leben haben, die in vieler Mund kommen. Nur
da tverden die Fremdbestandteile abgeschlissen und herausgetvaschen, tvird der
Fremdton durch deutschen Klang ersetzt. Die meiste Auösicht, deutsch zu tvcrden,
haben kurze fremde Stammworte, deren Aussprache fast von selbst in unserem
Munde sich umbildet —- wie aus dem lateinischen „tegula" „Ziegel", auS dem ab-
gekürzten „bona dies" das gut deutsche „Adjes", „Ade" wurde, daS erst von gebildet sein
wollender Unbildung mit falscher Sprachableitung in „Adieu" verwandelt worden ist.
Es ist notwendig, noch aus die Gruppen von Fremdworten hinzuweisen, die nicht
verdeutscht oder auögemerzt werden können. Es sind das erstens alle die Worte,
die Erzeugnisse fremder Länder bezeichnen; sie haben die Stellung von Eigen-
namen und kamen zugleich mit dem Ding, das sie benennen, zu uns. Kakao, Tee,
Schokolade, Giimmi, Korallen sind hiersur Beispiele; wobei zu beachten ist, wie
viel deutscher das am längsten von diesen eingebürgerte Fremdwort „Koralle" ge-
worden ist, im Dergleich zu den genannten jüngeren.

Die zweite, sür die Erkenntnis der Sprache ausschlußreichste Gruppe ist die, die
man vielleicht als „Übereinkunftsworte" bezeichnen kann. Zu ihr gehören nicht
nur die wohl überhaupt nicht sprechbaren, zusammengesetzten Wortungeheuer der
Chemie, sondern auch viele andere Worte der Wissenschaft, die nicht einen aus
ihrem Stamm sich von selbst ergebenden Sinn haben, deren Sinn vielmehr ein sür
allemal von der Wissenschast bestimmt und ihnen ausgezwungen worden ist, deren
Sinn man nicht durch ihren Gebrauch von selbst erwirbt und inS Gesühl auf-
nimmt; deren Sinn vielmehr gelernt werden muß. Alle Fremdworte der Mathe-
matik gehören hierher. Und diese Worte, denen ein bestimmter Sinn ausgezwungen
werden soll, müssen Fremdworte sein. Hier zeigt der Sprachgeist seine ganze
ursprüngliche Kraft, die sich nichts FremdeS aufzwingen läßt. Nur das Fremd-
wort, das für das Ohr des Hörers zunächst keinen unmittelbaren Sinn hat, dessen
Bedeutung er immer erst durch Übersetzung und Erklärung verstehen lernt, läßt
sich so knechten; das Wort der eigenen Sprache niemals. Das Wort „Tangente"
läßt sich mit einer Wort- und Sacherklärung lernen; wollte man statt dessen „Be-
rührende" sagen, so würden aus dem Vorstellen niemals die anderen Berühren-
den auszuscheiden sein, die den Kreis nicht wie die Tangente nur an einem einzigen
Punkte berühren. Das Wort würde immer über die Enge des ihm aufgezwungenen
Begrisss hinausstreben und mißverständlich werden.

Über allen besonderen Grundsätzen für die Verdeutschung aber muß oberster all-
gemeiner Grundsatz sein: daß jeder einzelne, sei er Gelehrter, Kausmann, Künstler,
Handwerker, Beamter, Soldat, wenn er spricht und schreibt, sich bemüht, jedeö
sich aufdrängende Fremdwort zu vermeiden und, indem cr dafür Arsatz sucht,
des Deutschen in seinem ganzen Reichtum immer bewußter und sicherer zu werden.

Wilhelm von Scholz

Morgen

ie war mit trockenem Munde, mit zusammengepreßter Brust in diesen Schlaf
((-^jhinabgesunken wie in ein Meer. Bis aus den Grund. Das Meer wogte sachte
auf und nieder, hob und senkte die junge Brust aus seinem Grunde. Starr
wie Korallenäste standen die Träume im Tiefschlas. Bis endlich, nach mancher Stunde
die Brust leichter wurde. Da wurden die Korallengerippe zu schwankendem Meertang,

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