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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 11 (Augustheft)
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Gurlitt, Ludwig: Das Altgriechische Akroterium
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Der Vater
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0336

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^en aus dem ErdspalL gespenstlsch auslauchenden Geist des Verstorbenen, der sclne
Ruhcstätte bedroht sieht. Jetzt betrachte man jeden Stein mit eindringlichcm
Flelße und man wlrd mit wachsendem Staunen, mit wachsender Ergrissenheit
die Kunst erkennen, mit der hter die slnnverwlrrende Gewalt der Spukgestalten
plastisch zum Ausdruck kommt. Wlr stehen vor einer Wunderleistung derKunst,
einer bildltch dargestcllten Angst der menschlichen Seele. Zwischen dem am Boden
zerstreuten Blattwerk deö in Attika heimischen Akanthus leuchtet im Dunkel der Nacht
vor den scheuen Blicken des VerbrecherS, der umherspäht, ehe er sich an dem Grab
zu vergreifen wagt, das entsetzte Haupt des in seiner Nuhe gestörten Toten auf.
Sein Haar sträubt sich, seine Augen kreisen in ihren weiten Höhlen; odcr sind
es nur Steinblumen, die den Frevler schrecken, ihn lähmen, so daß er die Hände.
sinken läßt und in eiliger Flucht seine Rettung sucht? Kann man sich wirksamere
Schreckbilder denken und kann man sich mit der nichtigcn Deutung von Blatt-
ornamenten begnügen, nachdem man einmal die tiefe Symbolik dieser Kunstwerke
erkannt und erlebt hat? Vom Auge geht Schutz und Segen auö, vom bösen
Blicke, dem „malocchio", nach dem Glaubcn der Jtaliener noch heute Unheil
aus. Und so sind denn diese Gräber gekrönt von dem wachsamen Auge des im
Grabe wohnenden heroisierten Abgeschiedenen. Sein böser Blick bringt Tod und
Verderben. Wehe dem, dcn er zürnend trifft!

Besonders auf dem Grabsteine, von dem unsere Betrachtung ausging, dient aller
Schmuck allein dem Gedanken der Abwehr: außer der Maöke der Hahn als
Lichtbringer und Feind der Finsternis, der Hund als treuer Wächter der Menschcn,
die Schlange als Hüterin der Grabstätten.

Besondere Betrachtung verdient noch eine andere Grabbekrönung: zwei Widder,
dem dionysischen Kult angehörig, stoßen sich im Sprunge und unter ihnen blicken
wir auf ein gehenkeltes Trinkgefäß. Das ist ein harmloseö Bild, dem sich der Be-
schaucr arglos nähert. Aber während er es betrachtet, verwandelt es sich in cin
Schrcckbild ganz entsctzlicher Art. Die beiden Böcke verschwinden glcichsam und
ebenso das Gefäß, und statt dessen grinst unö die die Zähne fletschende Fratze
eines Mantelpavians inS Angesicht. Die Schnauzen dcr Böcke bilden seine cng
stchenden Augen, ihre eingezogenen Vorderfüße die offene Nase, der hcrabhängende
Henkel des Gefäßes den fletfchenden Rachen des Tieres. Eö ist ein Vexierbild,
das crste und einzige mir aus dem klassischen Altertum bekannt gewprdcne. Auch
hier wird durch die unabweisliche Schreckform meine Deutung der Grabbekrönun-
gen bestätigt: nicht bloße Zierwerke, sondern wirksame Abschreckmittel.

Ludwig Gurlitt

Der Vater

Zwei Kapitel aus „Perpctua, der Roman der Schwesiern Breitenschnitt"

Don Wilhelm von Scholz

/^»s war die Dämmerstunde eineS frühen Herbsttageö. Nach windstillen sonnen-
I o'warmen Wochen — in denen nur die Klarheit über den Höhen und manchmal dcr
^ ^Dunsr im Tal und in dcr Jakobcrvvrstadt nn't ,'hren Lechwässern, das Farben-
glühen der Bauerngärten und das immer frühere Über-die-Dächcr-Kommen dcö Abend-
fchattens, da und dort einmal schon das Niederschaukeln eines gelben Blattes in daü

Anineckuiig: Ocr Rnninii „Pecpctna" von Wilhelin oon Sihvlz, dec lm Scptenibec i?ea Zahcc«
in Leclin im Hocen-Beclag ecjiheint, bchandelt daü Sihicksal zwcicc Zivillingüsihivestecn, jka-
thacina und Macia Bceilensihnitt, von denen dic eine ala Hezc vecbcannt, die andccc sihvn
bei Lebzeiten als Äbtissin deS Klosiccs FcicdcnSpsocke füc cine Heilige gehalten wicd. Occ
Roman spielt im Augsburg der Renaissance.

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