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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft)
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Horf, ...: Neueste Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0391

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ITeuesie Baukunsi

-L- nsere Zeit >st durchsetzt mit riesigen Kärnpsen. Nicht nur auf politischem Gebiet

I toben sie, wo die einen die alte s)dee der isolierenöen Nationalität vertreten, die
anderen in ein neueö Zeitalter zwischenstaatlicher Organisationen einlaufenwollen.
Auch auf dem Gebiete der Wissenfchaft wirö heftig gerungen. Man denke allein an
den noch nicht in allen Folgen auögewirkten Streit um die Psychanalyse, die Jndi-
vidualpsychologie, man erinnere sich des in den Folgerungen ebenfalls noch nicht
beschlossenen Kampfes um die Relativitätstheorie, man gedenke des Streites zwifchen
den Gcistesgeschichtlern, wo die alte Gruppe wiederum isolierende Einzelbetrach-
tung erstrebt, während die neue durchgehenöe Rhykhmen, Wiederkehren, Gleich-
klänge, ja Gesetze geschichtlichen Lebens zu erschließen sich bemüht. Man gedenke des
Kampfes innerhalb der Pädagogik zwischen der (wiederum mißtrauenöen) alten,
rein autoritativen Erziehungsart und der neuen pflegerischen. Ganz zu fchweigen
von der tiefgehenden Kluft in sozialen Anschauungen, wo nun eine Oberschichten
und Klassen isolierendc Auffassung neben eine den Menfchen fchlechthin sehende
Betrachtungsart tritt.

Jn den meisten dieser Kämpfe ficht gegen ein vertrauend kollektivistisches, ein ältereS
dämonisch „indioidualistisches" Sehen, wobei es sich in letzterem Falle bald um das Jn-
dwlduum Einzelmensch, bald um das „Jndividuum" Klasse oder Nation handelt,
wenn jedcsmal in bctonter Trenmmg eine Einheit von der entsprechenden ande -
ren abgehoben wird.

Auch in der Architektur der Gegenwart handelt es sich weitgehend um diesen Kampf.
Wir könncn die beiden Pole hier, zunächst ohne zu werten, sachlich aufzeigen, wobei
wir allerdings feststellen müssen, was ja noch keine Wertung ist, daß die Entwicklung
sich deutlich vom individualistifchen Grundsatz wegbegibt, individualistisch in jenem er-
weiterten Sinne genommen. Oie moderne Architektur zeigt gradweise Abnahme der
Betommg des künstlcrischen „Gebarens", an dessen Stelle Begeisterung für daS strikte
Treiben deS Jngenieurs getreten ist. DieS hängt mit jener Maschinenfreudigkeit
der jüngsten Gencration gerade unsrer K ü n st l e r zusammen. Die Liebe zum Jn-
genieur wiederum quillt aus einem Rationalismus (der sich immer mehr entwickelt),
wenn man Freude an schöpferischer Tätigkeit deS Berstandes so nennen will,
denn auf das Schöpferische kommt es diesen Rationalisten an. Ein heller, klarer, auf
Dur gestimmtcr Geist kündet sich an den verschiedensten Punkten unsreS jüngsten
geistigen Lebens an, um sich gegen einen übertriebenen, dumpfen Gefühlskult zu
werfen. Daß sich gerade die Wichtigen der jungen Künstler hierhin wenden, ist für
den Geschichtskundigen ein Anzcichen, daß es sich jetzt um einen seelischen Rationa-
IiLmuS handelt. Man hat es also nicht mit einer Spezialität der Techniker selbst
zu tun, die ja, mchr nur von außen hingezwungen, schon immer solche Haltung
einnahmen. Wir verweisen hier auf unseren Aufsatz über das „Bauhaus" in Heft 6,
wo wir dic jüngste künstlerifche Haltung (die trotz wieder eingefchalteter Gegenständ-
lichkeit auch für die neueste, nachexpressionistische Malerei gilt) wenigcr abstrakt
aufzeigen konnten. Alles fugenarlig Geordnete, wenn ein Bergleich aus der
Musik erlaubt ist, wird hicr als ein Ausdruckswert genossen. Daß gute,
moderne Maschinen unerhört ausdrucksvoll wirken, ohne daß sie auf Ausdruck kom-
poniert sind (dieser spielt nur ganz nebcnbei, fast unterbewußt im Ingeni'eur), daß
solchc Maschincn häufiger gelingen als Kunstwerke, mag uns zu denken geben, mag
uns abhalten von jener Zweifelsucht, die in jenem Zuge der Zeit nur änßere Mode
sehen wi'll. Wcr die beiden gegensätzlichen Zeitalter in zwei ansehnlichen Bertretern
selbcr reden hören will, der lcse die Bekenntni'sse von Schultze-Naumburg und Gro-
pius, die der „Uhu" nculich cinander gegenüberstelltc.

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