Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Das "Prachtwerk"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0095

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lvveites Dezemberbett 1695.

Das..Dracktvverk".

Dir, Leser, während zarte Schneekry-
stalle die Welt ringsum in den feinen
Schleier der lieben Weihnuchtssiinunung
hüllten, gingen wir beide mitsammen auf den Christ-
markt. Nun liegt die Budenreihe hinter uns, wir schreiten
zwischen den Weihnachtsbäumen. Rechts die Fichten
und Tannen mit keinem andern Schmucke, als dem
Herrlichen grünen, der aus ihnen selber draußen im
Walde hervorgewachsen und ein Stück Leben ihrer
selbst geblieben ist und uns jetzt leise seinen würzigen
Odem entgegenhaucht. Links, dem Nadelgebäum ge-
genüber, Weihnachtspyramidey, aus Stangen und
Draht gar sorgsältig gemacht und mit buntem Papier
und Flittergold ausgeputzt, daß es nur so blitzt und
schillert. Was kausen wir nun für unsern Veschee-
rungstisch? Wie, d o ch keine Pyramide? Ja, sage
mir, warum hast du dann vorhin im Buchladen ein
„Prachtwerk" gekaust?

Oder ist es nicht wahr: verhält sich das „Pracht-
werk" zum gediegenen Buch nicht wie die Rausch-
gold-Pyramide von Papier zum echten Weihnachts-
baum? Hier ruhige Schönheit, die bleibt, wenn Du
ihr stilles Walten auch noch so nah betrachtest und
befühlst, dort protziges Prunken, hinter dem kein
Atömchen Lebens ist.

Selbstverständlich spreche ich, wenn ich das sage,
nicht von allen Büchern, die in reichem Gewand
einen Bilderschatz auf den Markt tragen — die Re-
zensionen des Kunftwarts felber straften mich fonft

ja Lügen. Wenn die Bilder einer' fchönen Galerie
oder die Werke eines einzelnen bedeutenden Meisters
in guten Vervielfültigungen zusammengestellt werden,
wenn sich Künstler vereinigen, um durch ein gemein-
fames Unternehmen verwandte Beftrebungen darzu-
thun, aber auch wenn irgend ein Stück Wirklichkeits-
oder Geifteswelt einen Künstler zu bildnerifchem Ge-
ftalten angeregt hat, und ein Kunftverlag uns diefes
Fleißes Früchte nun in hübschen Bänden darbietet —
wer wollte sich folcher Gaben nicht freuen? Jrgend
ein wirkliches Bedürfnis, wenn auch nur kleiner Kreise,
hat da immer gewaltet, irgend ein wirklicher Gehalt
rvird in all diefen Fällen geboten.

Um das eigentliche „Prachtwerk" ist's anders
bestellt. Das hat ursprünglich keinen Lebensgrund,
als das Verlangen irgend eines Verlegers, ein Ge-
fchäft zu machen. Darum ift fein erstes Merkmal:
fein Schaffensgedanke entftammt weder einem Schrift-
fteller noch einem Künstler, fondern immer einem
Buchhändler. Und wenn wir der Anregung von
Buchhändlern auch fehr schätzenswerte Unternehmungen
verdanken, das „Prachtwerk" gehört nicht daHu.

Vor feiner Geburt hat solch ein strebsamer
Mann wohl lange mit Ernft und Fleiß gefonnen,
womit sich Käufer fangen ließen, bis die göttliche
Jdee fein Herz erleuchtete, die Jdee, die aller-
dings eigentlich für das Ganze nur Vorwand
ist. „Wer foll's verfassen?", fragt der Prokurift.
Thut's nun nicht irgend ein Buch, das abzudrucken
 
Annotationen