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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 18
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0298

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Lose Wlättee.

Allerlei zu r

R ü ck s ch a u.

Liuc Dausbalts-Nuwtcl'ung. Eine weit verbreitete
Frauenzeitung suchte jüngst die Frage zu beantworten,
ivie ein kinderloses Ehepaar in einer Großstadt
mit 9000 Mk. leben sollc. Da kam die solgende Aufstellung
heraus: „t- Wohnungsmiete 1500 Mk. 2. Wirtschaftsgeld
der Frau zooo Mk. 3. Heizung 250 Mk. -4. Steuern
630 Mk. 5. Kleidung des Ehepaares 1200 Mk. 6. Lohn
und Krankenkasse für 2 Leute cg50 Mk. 7. Bier und Wein
250 Mk. 8. Feuerversicherung 20 Mk. 9. Arzt, Zahnarzt
150 Mk. 10. Zeitungen, Zeitschriften rc. 50 Mk. 11. Re-
paraturen, kleine Beschaffungen 180 Mk. 12. Lebensver-
sichcrung, Vergnügen, Wohlthätigkeit, Gcschenke, Vereine
1320 Mk. — zusammen 9000 Mk." Sollten größcre Er-
sparnisse für die Zukunft erwünscht sein, das wird dazu
noch bemerkt, „so müßten die Beschrünkungen in den sieben
letzten Positionen gemacht wcrden, da in den ersten fünf
kaum etwas zu ändern sein dürfte". Jch glaube nicht,
daß man dcn Geist, der die meisten unserer sogenannten
besseren Kreise behcrrscht, in gleicher Knappheit schärfer
kennzeichnen könnte, als durch diese Aufstellung. Also
daran, daß zivei junge Eheleutc 3000 Mark jührlich für
Essen und Trinken und 1 coo Mark jührlich allein sür ihre
persönliche Kleidung verbrauchen, „dürste kaum etwas zu
ändern sein", aber z. B. von den 50 Mark sür „Zeitungen, '
Zeitschristcn rc." ließe sich zur Not noch abknapsen. Und
wo bleiben die Ausgaben für Bücher, aus denen man
lernt und mit dem Genussc, der nährt, genießt, wo die !
Ausgaben für dieses und jcncs Bild, das man erwirbt
u. s. w.? Vielleicht sind sis untcr der Pauschalsuuune von
1320 Mark verstcckt, wo wohl auch noch Thcater-, Konzert-
und Ausstellungsbesuche als „Vergnügcn" neben „Lebens-
versicherung", „Geschenken", „Vereinen", der Badereise und
der gleichfalls zu ctwaiger „Beschränkung" mit cmpfohlcnen
„Wohlthätigkeit" zu vermuten sind. Welche gcradezu ent-
setzliche geistige Blödheit stiert zivischcn diesen Ziffern her-
vor, welche Blindheit beim Abwägen der Lebensgüter!
Und doch beherrschen in der That die Anschauungen,
aus dcnen auch diese Aufstellung hervorgegangen ist, !
unsere Gesellschast.

Lin ncucs Dcnkmal wird die Reichshaupt-
st a d t schmücken, eine Statue, welche die deutsche Kaiser-
stadt selbst errichtet und dic darstellcn wird Herrn Rentier
Simon Blad. Wer war Herr Rcntier Simon Blad?
Als er noch lebte, wutzte man nicht viel von ihm, und
was man wußte, war nichts Schönes: er war ein ge-
richtlich wegen Widerstandes gegen dic Staatsgewalt,
versuchter Bestechung und Mißhandlung auch abgestrafter
alter Lüstling und scheint es u. a. gelicbt zu haben, seine
Dienstmüdchen, nachdem er sic mißbraucht hatte, zu prügeln.
Als er aber sein irdisches Gut bestellte, siehe, da vermachte
er's der Rcichshauptstadt Berlin unter der Bedingung,
daß sie ihm setze „ein Denkmal aus Erz in ganzer Figur".
Und der Magistrat erklärte dieses Testament mit nichten
für eine schlichte Unverschämtheit, sondcrn er war der
Ansicht, daß baar Geld lache, und er befürwortcte somit die
Annahme des Legats und seiner Denkmals-Klausel bei
den Abgeordneten des berlinischen Volks. Da sprach denn
im Stadtverordnetensale Herr Oberbürgermeister Zelle

vergleichsweisc von dcn reuigen Sündern früherer Zeit,
die ihre tzabe zu frommen Stiftungen hinterlassen, aller-
dings, ohne den Nachweis zu erbringen, daß sie sich dafür
Denkmüler ausbedungen hütten. Keiner im hohen Kolle-
gium redete gegen den Schacher, als wieder einmal ein
^ Sozialdemokrat, Singer, der es sittlicher fand, auf das
Vermögen zu Gunsten der unehelichen Kindcr Blads zu
verzichten. Man dachte anders, als er, man nahm das
Geld und gab das Denkmnl. Eine Bckanntmachung jedoch,
dic reichen Erblasscrn namens der Stadt Berlin Denkmüler
zu billigen aber festen Preisen offeriert, ist bis jetzt an der
Börse noch nicht ausgehüngt wordcn.

Das Mlicsbadcner Scbittccdcnkmal muß seinen
Platz vor dem dortigcn Theater eincm Denkmal des Kaisers
Friedrich räumen, weil nach Ansicht der Stadtväter des
letztern Verdicnste um dic deutschc Bühne größer als die-
jenigen Schillcrs sind - oder auch nus anderen Grün-
den. Wir unterschätzen nicht die Vedeutung eines Fürsten,
der das Verdienst zum mindesten hntte: den geistigen Müch-
ten der Kunst und Wissenschaft im Kreise seines Einflusses
Achtung zu gewähren und zu verschaffen. Aber was ist
S ch i l l e r uns Deutschen geivesen ! Schreibt einmal einer
die Geschichte des modcrncn Byzantinismus, so wird er
der Wiesbadener Herren mit besonderer Liebe gedenken.

Magucr obcc Stritzmanu? Der „Fliegende tzollündcr"
wird jetzt im Wicsbadener Hoftheater nach Grundsützen
aufgeführt, die, wie es scheint, auf besondere Anerkennung
beim Kaiser abziclen. Dieser hat auch die szenischen
Einrichtungen persönlich besichtigt, von welchem Be-
suche der Rhcinische Courier zu melden weiß. „Der ganze
Bühnenapparat wurde in Thätigkeit gesetzt, es donnerte
und blitzte, und die Schiffsmannschaften, die die Szenerie
belebtcn, übten ihre beruslichen Hantierungen aus. Die
beiden Schiffe, welche im »Fliegenden Holländer« die
Bühne passieren, sind nach den Skizzen des Marinemalers
Saltzmann unter Leitung des Ober-Jnspektors Schick
hier hergestellt worden. Richard Wagners Vorschriften
für die Handhabung der Segelschiffe ec. sind, mit see-
männischen Augen betrachtet, ein Unding, deshalb hat
Herr Saltzmann cine Segelstellung konstruiert, bei dcr die
Schiffe auch während des Gewittersturmes alle möglichen
Stcllungcn sAnsahrt, Halten, Beidrehen ec.) ausführen
können. Die nach diesen Saltzmannschen Skizzen hier
ausgesührten beiden Schiffe dürfen als die einzigen in
Deutschland existierenden Theaterschiffe bezeichnet werden,
die wirklich secgerecht hergestellt sind. Das prüsendc Auge
des Kaisers, der jedc Schnur der Takellage genau kennt,
ruhtc mit großein Jnteresse auf den beiden Schiffen;
ebenso verfolgte der Kaiser mit lcbhafter Aufmerksamkeit
die szenischen Effekte, und hochbefriedigt äutzerte er
nach der Vorführung, daß er sich das Gesehene so grotz-
artig nicht gedacht habe." Die Leistungen des Orchesters
und der Solisten dagegcn sollen mittelmäßig sein. Man
weiß nicht recht, wer wurde also cigentlich aufgeführt:
Wagner oder Saltzmann? Daß nber auch die Geister-
schiffe zur Korrektheit angehalten werden, eröffnet große
Ausblickc, da sich die Gespenster in der Kunst ja immer
noch vielfach ohne rechten Sinn sür Ordnung zeigen.
 
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