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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 21
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Avenarius, Ferdinand: Die Furcht vor der Farbe
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0338

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Ss


-H)

die Gefahr, zu „laut", zu „grob" zu werden, gar
nicht so groß. Auch das ist ja zu bedenken: das
Verschießen und Nachdunkeln geht im Freien schnell;
was heute noch „schreit", wird bald nur mehr ver-
nehmlich reden, was aüer heute schon leise spricht, das
lispelt bald nur noch. Hütet euch also hier lieber nor
dem „F-einen", dem Matten, Ängstlichen, Fahlen in der
Farbe. Und auch vor dem vielen „Gepimpel", dem

Dicdtung.

» Scbönc Literatur.

Däinoii Aleist. Novellen von Georg Hirschfeld.
(Berlin, S. Fischer.)

Der Band enthält zwei Novellen, außer „Dämon
Kleist" noch eine weniger mnfangreiche, „Vei Beiden".
Die Titelnovelle beruht auf der Zeitungsnotiz, daß sich
ein achtzehnjähriger Gymnasiast aus Berlin auf dem Grabe
Heinrichs von Kleist am Wannsee erschossen habe, sie sucht
dieses Faktum psychologisch zu erklären. Und das gelingt
Hirschseld in der That, mehr, er vermag den Menschen
und die Verhältnisse, in denen er lebt, wirklich darzustellen,
gibt keineswegs eine bloße Seelenanalyse. Eine gewisse
jugcndliche Unbeholsenheit ist aber doch in der Novelle,
man sühlt, wie der Verfasser hin und wieder ein wenig
unsicher tastet, wie er sparsam mit seinen Darstellungs-
mitteln ist, um nur ja nicht über die Grenze der Wahr-
heit weggerissen zu werden. Das alles paßt jedoch recht
gut zu dem behandelten Stofse, so daß mau denn einen
durchaus einheitlichen, künstlerisch befriedigendcn Eindruck
bekommt. Bedenkt man nun aber, daß die Tragödie oder
Tragikomödie des achtzehnjührigen Gymnasiasten von
einem Einundzwanzigjährigen geschrieben ist, dann wird
es einem doch etwas unheimlich, und Freude über Hirsch-
selds Können, daß er so jung imftande ist, derartige patho-
logische Prozesse einigermaßen sicher zu objektivieren, will
nicht auskommen. Wie sollen wir je wieder zu Krast und
Größe in der Kunst, die wir doch alle vermissen, gelangen,
wenn unsere Talente mit einundzwanzig Jahren weiter
nichts zu thun wissen, als ganz abnormc Bildungen dar-
zustellcn? Da war mir die ältere Generation, die pslicht-
schuldigst ihren „Hermann, deu Cherusker" oder „Kon-
radin" lieferte, am Ende noch lieber. Hirschfeld ist leider
keine Ausnahme — sind denn aber unsere Verhältnisse
wirklich derart, daß jeder Dichter als alter Mann geboren
werden muß, und daß er nichts mehr darzustellen sindet,
als Krankheitsprozesse? Jch kann hier diese Frage selbst-
verständlich nicht beantworten und sage deshalb nur:
Ich glaube es nicht. — Die zweite Novelle Hirschfelds
stellt dar, wie ein Liebespaar durch den Kampf um seine
Liebe, trotzdem er zum Siege sührt, zu Grunde geht, er,
ein Künstler, wird verrückt, und sie wenigstens völlig
apathisch. Nun, dieser Novelle glaubt man nicht wie dem
„Dämon Kleist", dazu ist sie zu wenig ausgesührt. Das
Talent Hirschfelds verrät auch sie; man lese einmal die
solgende Naturschilderung: „Zur Linken lag der Kiefern-
wald, in schwarzer, schweigender Masse, einer riesigen

Nebeneinanderpinseln von mehr Farben und Färb-
chen als nötig sind. Wo dn zu dekorativen Zwecken
mit einer Farbe auskommst, da nimm nicht zwei,
wo zwei zulangen, nicht drei, sonst allerdings kommt
statt Farbenkrast leicht Buntscheckigkeit heraus. Jm
Übrigen: was söllst du machen, wenn dir eine Sache
nicht gleich gelingt? Üben sollst du! llnd je kecker
du ins Zeug gehst, je besser übst du dich. N.

Raupe vergleichbar und, wie eine solche, in kaum merk-
licher Bewegung. Die schlanken Wipselspitzen bildeten
einen fein gezackten Saum. Goldene Glut lag in der
Luft und oben auf dem Walde, zur Mitte hin in Kupfer-
rot zusammenschmelzend. Dort war der Sonnenball ge-
sunken. Es brannte hinter dem Walde, und das schwarze Ge-
wirr der Stämme und Äste zeigte sich sein und deutlich
in der zitternden Glut. Unten am Fuße des Waldes blieb es
blauschwarz. — Als Hosmann eine Strecke weiter gegangen
war, sah er den Saum der Ebene sich regen und silbern
werden. Der See stieg auf, und es war ihm, als kühlte
er gleichsam die düstere Abendglut. Der See wurde
größer und weiter, je näher Hofmann kam. Nach hinten
grau und eben, vorn in schmalen Silberstrichen näher
kommend, bis er in blitzende Brandung ausschnumte, in
die der Sonnenuntergang Rubinen wars." Das ist, wie
mich dünkt, sehr gut beobachtet und präzis dargestellt;
jeder macht's nicht. - A d o l f B a r t e ! s.

Aus der I'rauzoseuzeit. Was. der Großvater und
die Großmutter erzählte. Von Äugustin Knötel. sLeip-
zig, Fr. Wilh. Grunow.)

Es war eine Jahrzehnte lang wiederholte Klage, daß
wir Deutschen an guten Biographien, zumal Autobio-
graphien Mangel hätten, und wirklich hat sich etwas wie
die Memoirenliteratur der Franzosen bei uns nicht aus-
gebildet. Neuerdings sind jedoch, mdem die Literatur im
allgemeinen in die Breite ging und immer weitere Kreise
! zu schreiben begannen, auch die Lebensbeschreibungen
häusiger geworden; mögen ganz hervorragende Werke
immer noch selten sein, das Mittel gut ist zu ziemlichem
Umfang aufgeschwollen und vermehrt sich alljährlich. Man
soll es hier ruhig willkommen heißen, Romane können
leicht zu viel geschrieben werden, Biographien sehr schwer.
Denn mag sich auch alles im Leben wiederholen, es wieder-
holt sich nicht auf dieselbe Weise; selbst die Durchschnitts-
biographie schließt noch die Anwendung der Schablone
aus, während der Durchschnittsroman gerade durch sie
entsteht. Natürlich sehe ich hier ganz vom Standpunkte
der Kunst ab, ich habe nur das menschliche Jnteresse im
Auge, das wir alle haben, und das durch Geschichte und
Lebensbeschreibung eher befriedigt wird nls durch mittel-
mäßige Kunst. Das vorliegende Buch Augustin Knötels,
der Lehrer am katholischen Gymnasium in Glogau war und
sich durch einige hypothesenreiche, archüologische Werke
bekannt gemacht hat, ist nun keine eigentliche Biographie,
es ist, wie der Titel richtig anzeigt, die Schilderung einer
Zeit auf Grund von Erzühlungen lund von Studien,
 
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