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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 24
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Rundschau
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0395

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lT

hier die urberliner Devise: Nur Ein Preis. Zwei Betriebe
bieten eine rühmliche Ausnahme: die Eisenschmiedekunst
und die Glas- und Porzellanfabrikation. Die Eisenschmiede
haben berückende Exemplare von Thoren, Gittern, Lampen,
Ständern, Kaminböcken ausgestellt, an denen die ganze
krüftige und handwerkliche Art dieser schönen Kunst (es
gibt nur eine Parallele: das Leder) Triumphe feiert. Die
Porzellane sührt die kgl. Manufaktur an, die sich zu einex
Pracht- und Monstre-Ausstellung entschlossen hat, welche
die zarten und die großen Probleme dieses Gewerbes blen-
dend löst, nur selten von byzantinischen Nebenregungen
unterbrochen. Die Makartwandslächen, die Kolossalvasen,
die Nippes bedeuten einen Triumph, der die Kritik erstickt.
Die Krystallgläser, jene sazettirten Formen, die durch den
englischen Wohnungsstil besonders „aktuell" wurden, die
Glasätzereien, welche in imposanten Matzstüben ausgeführt
werden, die Zitzmannschen Gläser, die einzigen reinen
Handarbeitsgläser der Welt, die seit kurzem hierher über-
siedelten, individuelle, phantastische, elfenleichte Formen
mit all dem herben Reiz der Handarbeit, endlich die Glas-
malereien, in musealem Sinne von Heinersdorss u. A.
in glühenden Farben, im Sinne unserer neuen Ornamentik
oon Georg Engel nicht ersolglos ausgeführt — das sind
alles gute Sachen, welche den alten Rus des königlichen
Porzellans von Berlin wie in der Peripherie umgeben.

An diesen Dingen sieht man, was eine Tradition wert
ist — Berlin hat in ihnen von jeher einen guten Namen
gehabt. Jn der Eisenbearbeitung strahlt er ja auch auf
maschinellem Gebiete, und die alte Gründung der Por-
zellan-Ma>:usaktur bezahlt sich. Hier lagert noch etwas
wie hösischer Glanz aus der Jndustrie. Da aber, wo sie
rein bürgerlich wurde, wie in den Möbeln, kam die reine
Hohlheit heraus. Das üutzere glänzende Gewand der

Ausstellung und diese innere Armut, die Armut sowohl
an Tradition ivie an Genies, kontrastieren merkwürdig.
llnd doch wieder nicht merkwürdig. Denn sie sind nur
die beiden notwendigen Seiten der echten, schnell erblühten
Jndustriestadt. Alles in die Hand nehmen und imposant
darbieten — das ist industriell, das ist Gründertum.
Zwanzig Jahre schwankt jetzt Berlin in diesem Gründer-
taumek; wird es die Krnnkheiten des Jndustrialismus
ertragen können? Jch glaube, man braucht sich darüber
nicht den Kopf zu zerbrechen, denn das ist eine Frage, die
nicht von einer Stadt, sondern von unserer ganzen Gesell-
schaft aus gelöst werden wird. Die Macht der Jndustrie
ist nun einmal da — ich würde sagen leider, wenn es
nicht dumm wäre — und je nach Temperament und
Laune wird man ihre Vorzüge genietzen und ihre Schäden
beklagen. Die hinreißende Schönheit der grotzen Berliner
Ausstellungsanlage — ich sage nicht. zu viel — strahlt
heut wie am ersten Tage und man wird ihrer nicht satt.
Selbst die Sünde des herannahenden Defizits kann in
meinen leichtsinnigen Augen den Genutz nicht trüben, endlich
mal hier einen grotzen, weltstädtischen Wurs gesehn zu haben.
Das ist eine Sünde von denen, die verschönern. Jn Wirk-
lichkeit spielt ja der Jnhalt, so hohl er sein mag, nur eine
Nebenrolle und wirkt, was er wirkt, nur durch sein all-
gemeines Vorhandensein. Wer nimmt die Ausstellung
als das, was sie zu sein vorgibt, ein Objekt der Kritik?
Wir Schriftsteller vielleicht und einige Fachleute. Für die
Welt ist die Ausstellung selbst schon wieder Jndustrie, sie
ist ein llnternehmen, das in Szene gesetzt wurde, und wenn
die Szene gut war, ist man zufrieden. llnd ganz, ganz
eigentlich-war dies nicht der Zweck der Ausstellung ?

Mskar Bie.

Lose Wlätter.

Allerlei zu

Nus ebinuerzählteHesse-Warteggjüngstunteranderem,
datz es dort ein kaiserliches Musikamt gäbe „mit
einer grotzen Anzahl von Beamten, welche die Ausgabe
haben, die Grundsätze der Harmonie und Melodie zu er-
forschen, Musikstücke zu komponieren und Jnstrumente an-
zufertigen, um Musikstücke auszuführen". Man lacht darüber
und sreut sich, datz wir nicht sind, wie diese da, deren Ton-
kunst ja übrigens einen berühmten europäischen Virtuosen
kürzlich zu höchster Begeiste'rung entflammt hat. „Selbst
die Regeln des Tanzes", erzählt Hesse-Wartegg noch, „sind
von dem Ministerium der Gebräuche vorgeschrieben". Mit
Verlaub: sind sie das bei uns nicht insoweit wenigstens
auch, als es sich um irgendwie offizielle Veranstaltungen
handelt? llnd genietzt in unserer Gesellschaft nicht ohne
Weiteres jede theoretische Aeußerung über „die Grundsätze
der Harmonie und Melodie" oder andere Dinge, sowie jede
künstlerische Leistung mehr Respekt, wenn ihr Verfasser
Prosessor oder sonst ein „Beamter" ist? Die Form ist
sehr, das Wesen nicht bis zur Unvergleichlichkeit verschieden.
llnd sind wir, gottlob, trotzdem noch himmelweit von den
Zuständen im himmlischen Reiche entfernt, so thun wir
doch vielleicht gut, uns auch die Analogieen ein wenig zu
vergegenwärtigen, die wir mit diesen Zuständen thatsächlich
zeigen. Sie sind da, und sie sind ernster, als datz wir
sie mit gelegentlichen Scherzen über unser deutsches Man-
darinentum unschädlich machen könnten.

r Rückschau.

Für die Seknbrcn übermäcbtiger Nutorität auch
in Dingen, die uns recht nahe angehen, ist ein Vorsall wie
selten einer bezeichnend, von dem jüngst die Blätter zu
melden wutzten. Jm Bismarck-Abreitz-Kalender war ein
Wort des großen Kanzlers salsch zitiert worden: „ich bin
meinem Fürsten treu bis in die Waden". Jm Originale
heißt es „treu bis in die Vendse". Aber nach dem un-
verfänglichen Zeugnis eines die Bismarck-Verehrung so
entschieden pflegenden Blattes, wie der „Täglichen Rund-
schau", hat „fast kein Festredner, der zu Ehren Bismarcks
sich begeistert, sich dieses »treu bis in die Waden« entgehen
lassen, um die Energie Bismarckscher Königstreue zu cha-
rakterisieren". So ist hier an einem klaren Beispiele er-
wiesen, datz unter sonft günstigen llmstünden die größte
Geschmacklosigkeit, der vollkommenste Unsinn mit Wärme
als ein schönes und grotzes Wort empfunden und gepriesen
werden kann, wenn eine Autorität dahinter steht oder zu
stehen scheint. Wir dächten, der kleine Scherz, dessen uns
hier der Weltgeist gewürdigt hat, wäre einer von den aller-
besten, weil sein Blitz eine ganz weite Aussicht erhellt.

„Dns aite bistorisebe zfamlliellbuus des geteierten
deutscben Dicbters Mlielund" mit dem Parke, in dem sich
sein Grab befindet, wurde unlängst in den Times zumVer-
kaus ausgeboten. Nicht etwa in deutschen Zeitungen, denn
der Deutsche hat selbstverständlich für so etwas kein Geld.



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