Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (9.1895-1896)

malerischen Schönheit erfreut sie sich vor allem, sondern
an dem stillen Leben, von dem all das zeugt. Vielleicht
glückt es der Jndustrie, auch hier das Jnnigere durch das
Aeußerliche auf die Dauer erfolgreich zu bekämpsen und
wieder einmal an die Stelle eines wahrhaftigen Verhält-
nisses den Selbstbetrug am Surrogat Zu setzen. Jm Selbst-
belügen wenigstens hat man es auch hier schon zu Erkleck-
lichem gebracht. Dafür entnehme ich einen Beleg der Be-
sprechung, die ein Dresdener Literat über einen dortigen
Blumenkorso drucken ließ, der auch, wie die Blumenkorsi
zumeist, aus einem echten Frühlingsfeste mehr und mehr
zu einer kalten Protzerei geworden ist. Künstliche Blumen
spielten dabei eine große Rolle. — „Sie duften nicht, sie
entsprießen nicht der göttlichen Frühlingstriebkrast der
Erde und deshalb scheinen ße an poetischem Reiz zurück-
zustehen". So schrieb darüber der ästhetische Mann.
„Aber", setzte er hinzu: „die Poesie der Arbeit versinn-
bildlichen sie". Jst das nicht schön gesagt? Der Herr
mag sich bei den Fachleuten der Blumenindustrie danach
erkundigen, wie die „Poesie der Arbeit" in der Nähe aus-
sieht, die hier „versinnbildlicht" ist!

Dlakate völlig neuer Art zeigen seit einigen Tagen
die Stratzen von Paris, denn es sind Plakate, die keiner-

lei Anpreisung bedeuten, Plakate, die nur um der Schön-
heit willen da sind. Die ttnion pour lRction moi'Lle
hat das Bild „die Kindheit der heiligen Genovefa"
von lluvi8 äs LllLVLones mit einem Kostenauswande
oon 5000 Franken in wohlgelungener sarbiger Lithographie
vervielfältigen lassen und hängt nun die so entstandenen
Afsiche zu keinem anderen Zwecke aus, als um „den
Sinn sür keusche und hohe Schönheit im Volke zu wecken."
Nachbildungen anderer Meisterwerke sollen folgen. Ueber
die Aufnahme aber, die der erste Versuch beim Publikum
sindet, wird das Folgende berichtet: „Die Vorübergehenden
blieben vom srühen Morgen bis zum späten Abend vor
den herrlichen Afsichen stehen, und selbst die Rohesten
! wagten keine spöttische Bemerkung über das keusche,
naiv rührende Bild. Viele Arbeiter dagegen schienen
sichtlich ergriffen und zum Nachdenken angeregt zu sein.
Bemerkenswert fft serner, datz an diese künstlerischen
Affichen, obgleich sie an den exponirtesten Stellen in
Höhe von nur Iffs üis 2 Meter vom Boden angebracht
waren, während der Nacht keine srevlerische Bubenhand
sreche Scherze und Verunstaltungen versuchte, wie sie hier
in Paris wohl mehr noch, als in anderen Städten, an
der Tagesordnung sind. Das ist immerhin ein gutes
und verheißungsvolles Vorzeichen."

I NmbrosianlscbLLebrLN. — Nundscbnu. — Dichtung. Schöne Literatur. (DerewigeJude. VonJoseph
Seeber.) — Schriften über Lireratur. (Schriften zur Kritik und Literaturgeschichte. Von Michael
Bernays.) Tbcutcc: Schriften über Dramatik und Bühnenwesen. (Theatergeschichtliche Forschungen. Von Berthold
Litzmann.) — /IbllSlk: Alexander Ritter ff. Musikliteratur. (Prüludien und Studien. Von vi-. H. Riemann.) —
lGlldcndc Ikünstc: Berichte über bildcnde Kunst. Münchener Bericht. — Dcrilllscbtcs: Berichte über Ver-
sjchiedenes. Berliner Bericht. — Losc iWIattcr: (Aus China, Für die Gesahren übermächtiger Autorität, Das alte
historische Familienhaus des Dichters Wieland, Gotteslästerung, An- und Auskleiden aus der Bühne, Unwesen im
Medaillenverteilen, Kunstgewerblicher Unsinn, lnspectern- lln blg.ncllement8 äe8 mai8on8, Kunstblumen, Plakate völlig
neuer Art.

Uunstxvart-AnzLLgcr.

Keacdtensvverte
«y It^ouo ^oschoinungon A

die bei der Uuustwart-Leituug
eiugelaufeu sind.

Heermann, Theo, Wetterleuchten
Gedichte, Sprüche und Gaben. Dres-
den, Oskar Damm. 79 SS. Mk. 1.80.
Heiberg, H. Zwiesach getroffen!
Novelle. Breslau, Schles, Buch-
druckerei vorm. S: Schottländer.
172 SS. geb. 1 Mk.—

Henckell, Karl, Ada Negri. Ein
Vortrag. Mit dem Portrait der
Dichterin. Zürich, Karl Henckell L
Co. 35 SS. 50 Pf.

Herwegh, M., Briese von und an
Georg Herwegh. 1848. München,
Albert Langen. 386 SS. brosch.
Holitscher, Arthur, Weiße Liebe.
Ein Rornan aus dem Ouartier Latin.
München, Albert Langen. 280 SS.
brosch. Mk- 3.—

Holm, Adolf, Holsteinische Gewächse.
Leipzig. A. G. Liebeskind. 163 SS.
Mk. 2.—

Horst, Henning von, Verbotene Frucht.
Stuttgart, I. Engelhorn. 160 SS.
75 Pf.

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