Arbeit und Sehnsucht
rbeit und Fortschritt der Kultur
sind gewiß wertvolle Dinge, in
denen wir uns strebend bemühen
sollen. Aber das höchste Ideal liegt
nicht in ihnen beschlossen; sie ver--
mögen die Seele nicht mit wirklicher
Besriedigung zu erfüllen. Wohl
schafft die Arbeit Lust, aber dies ist
doch nur die eine Seite der Sache;
ich habe immer gefunden, daß über
die Lust, welche die Arbeit gewährt,
diejenigen lauter sprechen, die sich
selbst nicht allzuviel anstrengen, wäh-
rend die bei ihrem Preise Rmstände
machen, die in ununterbrochener
heißer Arbeit stehen. In der Tat,
es läuft da sehr viel leeres Gerede
und tzeuchelei mit unter. Dreiviertel
der Arbeit und mehr ist nichts als
stumpfmachende Mühe, und wer
wirklich hart arbeitet, fühlt den sehn-
süchtigen Ausblick des Dichters auf
den Abend nach: „Das tzaupt, die
Füß und tzände sind froh, daß nun
zum Ende die Arbeit kommen sei."
Aber auch die Ergebnisse! Wenn
man fertig ist, möchte man jede Ar-
beit noch einmal machen, und das
Stückwerk fällt schwer auf die Seele
und das Gewissen. Nein, wir leben
nicht soviel als wir arbeiten, sondern
soviel als wir uns der Liebe anderer
erfreuen und selbst Liebe üben! And
so hat Faust recht: Arbeit, die
nichts als Arbeit ist, wird zum
Ekel: „Man sehnt sich nach des
Lebens Bächen, ach, nach des Lebens
Ouelle hin."
Arbeit ist ein schätzenswertes
Ventil, welches wir brauchen gegen-
über größeren Nöten; aber sie ist an
sich kein absolutes Gut, und wir
können sie nicht mit unsern Idealen
zusammenstellen. Ahnliches gilt von
dem Kulturfortschritt. Gewiß, er ist
zu begrüßen. Aber was heute ein
Fortschritt ist, dessen wir uns freuen,
wird morgen etwas Mechanisches
sein, das uns kalt läßt. Der tiefer
fühlende Mensch nimmt dankbar
entgegen, was ihm die fortschrei-
tende Entwicklung der Dinge bringt;
aber er weiß auch, daß seine innere
Situation — die Fragen, die ihn
bewegen, und die Grundverhältnisse,
in denen er steht — nicht wesent-
lich, ja kaum unwesentlich, durch das
alles geändert wird. Es scheint
immer nur einen Augenblick so, als
käme nun ein Neues und man sei
wirklich entlastet. Wenn man älter
geworden ist und tiefer ins Leben
sieht, findet man sich, wenn man
überhaupt eine innere Welt besitzt,
durch den äußeren Gang der Dinge,
durch den „Kulturfortschritt", nicht
gesördert. Man findet sich vielmehr
an der alten Stelle und muß die
Kräfte aufsuchen, die auch die Vor-
sahren aufgesucht haben. Man muß
sich heimisch machen in dem Reiche
Gottes, in dem Reiche des Ewigen
und der Liebe, und man versteht
es, daß Iesus Christus nur von die-
sem Reiche zeugen und sprechen
wollte, und dankt es ihm.
Adolf tzarnack (im „Wesen des
Christentums")
Unsre Bilder und Noten
^m^ie neue Bewegung in der Malerei, die wir nach ihrem lebhaftesten
^P^Teile kurzweg den Impressionismus zu nennen pflegen, kämpfte für
sich um Raum, und da auch in solchen Fällen als beste Wehr der
tzieb zu gelten Pflegt, so ging sie wacker gegen alles los, was etwa vom
sichern tzafen der Alten aus die Kämpfer im schwanken Kahn mit Argu-
menten beschießen konnte. Aus jener Zeit rührt noch die Geringschätzung
des Fernblicks, den man zudem kurzweg mit der Abmalkunst der baedeker-
rbeit und Fortschritt der Kultur
sind gewiß wertvolle Dinge, in
denen wir uns strebend bemühen
sollen. Aber das höchste Ideal liegt
nicht in ihnen beschlossen; sie ver--
mögen die Seele nicht mit wirklicher
Besriedigung zu erfüllen. Wohl
schafft die Arbeit Lust, aber dies ist
doch nur die eine Seite der Sache;
ich habe immer gefunden, daß über
die Lust, welche die Arbeit gewährt,
diejenigen lauter sprechen, die sich
selbst nicht allzuviel anstrengen, wäh-
rend die bei ihrem Preise Rmstände
machen, die in ununterbrochener
heißer Arbeit stehen. In der Tat,
es läuft da sehr viel leeres Gerede
und tzeuchelei mit unter. Dreiviertel
der Arbeit und mehr ist nichts als
stumpfmachende Mühe, und wer
wirklich hart arbeitet, fühlt den sehn-
süchtigen Ausblick des Dichters auf
den Abend nach: „Das tzaupt, die
Füß und tzände sind froh, daß nun
zum Ende die Arbeit kommen sei."
Aber auch die Ergebnisse! Wenn
man fertig ist, möchte man jede Ar-
beit noch einmal machen, und das
Stückwerk fällt schwer auf die Seele
und das Gewissen. Nein, wir leben
nicht soviel als wir arbeiten, sondern
soviel als wir uns der Liebe anderer
erfreuen und selbst Liebe üben! And
so hat Faust recht: Arbeit, die
nichts als Arbeit ist, wird zum
Ekel: „Man sehnt sich nach des
Lebens Bächen, ach, nach des Lebens
Ouelle hin."
Arbeit ist ein schätzenswertes
Ventil, welches wir brauchen gegen-
über größeren Nöten; aber sie ist an
sich kein absolutes Gut, und wir
können sie nicht mit unsern Idealen
zusammenstellen. Ahnliches gilt von
dem Kulturfortschritt. Gewiß, er ist
zu begrüßen. Aber was heute ein
Fortschritt ist, dessen wir uns freuen,
wird morgen etwas Mechanisches
sein, das uns kalt läßt. Der tiefer
fühlende Mensch nimmt dankbar
entgegen, was ihm die fortschrei-
tende Entwicklung der Dinge bringt;
aber er weiß auch, daß seine innere
Situation — die Fragen, die ihn
bewegen, und die Grundverhältnisse,
in denen er steht — nicht wesent-
lich, ja kaum unwesentlich, durch das
alles geändert wird. Es scheint
immer nur einen Augenblick so, als
käme nun ein Neues und man sei
wirklich entlastet. Wenn man älter
geworden ist und tiefer ins Leben
sieht, findet man sich, wenn man
überhaupt eine innere Welt besitzt,
durch den äußeren Gang der Dinge,
durch den „Kulturfortschritt", nicht
gesördert. Man findet sich vielmehr
an der alten Stelle und muß die
Kräfte aufsuchen, die auch die Vor-
sahren aufgesucht haben. Man muß
sich heimisch machen in dem Reiche
Gottes, in dem Reiche des Ewigen
und der Liebe, und man versteht
es, daß Iesus Christus nur von die-
sem Reiche zeugen und sprechen
wollte, und dankt es ihm.
Adolf tzarnack (im „Wesen des
Christentums")
Unsre Bilder und Noten
^m^ie neue Bewegung in der Malerei, die wir nach ihrem lebhaftesten
^P^Teile kurzweg den Impressionismus zu nennen pflegen, kämpfte für
sich um Raum, und da auch in solchen Fällen als beste Wehr der
tzieb zu gelten Pflegt, so ging sie wacker gegen alles los, was etwa vom
sichern tzafen der Alten aus die Kämpfer im schwanken Kahn mit Argu-
menten beschießen konnte. Aus jener Zeit rührt noch die Geringschätzung
des Fernblicks, den man zudem kurzweg mit der Abmalkunst der baedeker-